224
licher Geselle. Zwar der Raufer und Räuber, der verschmitzte Gauner, der er
draußen ist, bleibt er auch aller Erziehung zum Trotz. Der Mohr ist nicht weiß
zu waschen. Bald hat er es auf ein Huhn oder eine Katze, bald auf einen armen
Jungen abgesehen; er humpelt täppisch hinter ihnen drein, und plötzlich, ehe sie's
s ahnen, hackt er ihnen den scharfen Schnabel ins Fleisch. Aber im Nu ist er ver¬
schwunden und sitzt unbefangen in irgend einem Winkel. Niemand würde auf das
arglos-einfältige Gesicht Verdacht werfen, verriete ihn nicht das boshaft leuchtende
Auge. Nur wenn er etwa ein ganz besonderes Bubenstück ausgeführt hat, bricht er
in höhnenden Jubel aus. Übrigens hat er seine Vorurteile und Grillen, seine
io guten und bösen Stunden, seine Zuneigungen und Abneigungen. Immer aber übt
er eine Art Gewaltherrschaft aus über alles im Hause, was kreucht und fleugt, und
selbst der Dogge weiß er Respekt einzuflößen. Anderseits hat er auch seine Schütz'
linge. Am liebsten aber sucht er die Bundesgenossenschaft des Dienstgesindes und
der Knaben im Hause, deren Freigebigkeit ihm manchen Genuß und wohl auch
ls manchen Mutwillen gestattet. Er begleitet den Kutscher auf den Bock, setzt sich zu
ihm auf das Pferd, folgt dem Knechte auf den Acker, empfängt den ankommenden
Gast, wandelt dem spazierengehenden Herrn zur Seite. Mitunter läßt er sich wie
in mitteilsamer Stimmung herbei, freiwillig und mit prahlerischer Beharrlichkeit
seine Künste, besonders seine Sprachstudien, zu zeigen. Denn gerade darin offenbart
»v sich sein Genie am glänzendsten und ergötzlichsten. Er führt ganze Scenen auf, meist
im Stile der Gassenjugend. Man sieht sie sich balgen, hört sie schreien und schimpfen-
Darauf äfft er dem Hahne nach, dem Hunde, foppt die Katze, und dazwischen tönt
es wie eine Knarre, mit der man im Herbste die Vögel verscheucht. Mit einem'
mal ruft es „Jakob" zuerst piano und dünnstimmig, wie aus einer Kinderkehle;
»s dann immer lauter, immer tiefer, die ganze Skala hinab, bis er zulcht im kräftig'
sten Basse endigt. Ist er der Bauchredereien satt, so gibt es ein anderes Spiet-
Er pocht an die Tür, Einlaß begehrend, pocht einmal, zweimal; und öffnet man,
so schiebt er herein, huscht die Stube auf und ab, und dann geht es auf den Tiscb'
Löffel, Messer, Gabel, Fleisch, Brot, Salzbüchse, nichts ist vor ihm sicher; er packt
s» es, und fort damit, so schwer er nur tragen kann, zur Tür hinaus, die Treppe
hinan, um den Diebstahl hinter Holz oder in einer Spalte zu verbergen. Schneidet
man ihm Brot, Fleisch oder andere Bissen vor, so würgt er alles in den Hals, bis
nichts mehr hineingeht; dann eilt er zum Boden, stopft Stück für Stück in ein Loch
und deckt es zu. Darauf kommt er wieder, solange noch irgend etwas sortzU'
,8 schleppen ist. — Es braucht kaum noch besonders bemerkt zu werden, daß der Rabe
auch sehr wißbegierig ist. Er untersucht den heißesten Brei, erprobt die Wichse des
Stiefelputzers, die Giftfarbe des Malers; und dabei mag es denn öfters geschehen,
daß er seinen Eifer mit frühem Tode büßt.
186. Hurra, Germania! (25. Juli 1870.)
«0 Von f. Freiligrath.
Gesammelte Dichtungen. Stuttgart 1877. Bd. II (Neueres und Neuestes), S. 298.
1. Hurra, du stolzes, schönes Weib,
Hurra, Germania!
Wie kühn mit vorgebeugtem Leib
»8 Am Rheine stehst du da!
Im vollen Brand der Juliglut,
Wie ziehst du risch dein Schwert!
Wie trittst du zornig-frohgemut
Zum Schutz vor deinen Herd!
s« Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
2. Du dachtest nicht an Kampf und Streit:
In Fried' und Freud' und Ruh'
Auf deinen Feldern, weit und breit,
Die Ernte schnittest du.
Bei Sichelklang im Ährenkranz
Die Garben fuhrst du ein:
Da plötzlich, horch, ein andrer Tanz!
Das Kriegshorn überm Rhein!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
,