2V4. Das Opfer kindlicher Liebe.
Von 1. Jacobs.
Kleine Erzählungen deS alten Pfarrer- von Mainau. Leipzig 1838. S. 13.
- . Nachdem ich das nördliche Amerika nach allen Richtungen durchstreift und auch
Haüi besucht hatte, schiffte ich mich mit einer reichen Ernte von Pflanzen in Port- &
^Prince nach Frankreich ein. Unser Schiff war zum Teil mit irländischen
Matrosen bemannt, unter denen sich vornehmlich die beiden Beckner, Vater und Sohn,
Auszeichneten. Der Vater galt für den besten Matrosen in der englischen Marine,
«nd der Sohn, obgleich er erst ein Knabe von zwölf Jahren, gab dem Vater nur wenig
Uach.^ Groß und stark über seine Jahre, leuchtete aus seinem von Sonne und Wetter »
^bräunten Gesichte zugleich der Mut eines Mannes, eine kindliche Gutmüügkeit
und jener unbesiegliche Frohsinn, der den Irländer so vorzüglich auszeichnet. Auch
er der Liebling aller, die auf dem Schiffe waren. Wenn wir ihm bei seinen
Geschäften zusahen und uns über die Gewandtheit fteuten, mit der er auch das
schwerste so leicht verrichtete, als ob es nichts wäre, und alles beachtete, ob er sich »
gleich um nichts zu bekümmern schien, dann pflegte der Vater wohl zu sagen: „Jst's
nn Wunder? Ein guter Irländer ist vom Mutterleibe an auch ein guter Seemann,
und mein Volneh hat das Seewasser gekostet, eh' er, Vater^ sagen konnte. Sobald
? Non der Muttermilch entwöhnt war, ließ ich ihn nicht aus den Augen. Ich nahm
?N überall mit, und wenn ich ihn aus dem Kahn ins Waffer warf, war es ihm«»
N Spaß, und er lachte mich an; und wie er kaum zwei Jahr alt war, konnte er
^Kimmen wie ein Fisch. Zwei Jahre später versprach ich ihm einmal, er sollte
Ullt hinüber nach England fahren, nahm aber mein Versprechen zurück, weil er eine
Dummheit gemacht und eine Strafe verdient hatte. Er war außer sich, und ich
Nutzte ihn einsperren. Was tut der Junge? Er springt zum Fenster hinaus, läuft»
uns User und stürzt sich ins Wasser; und wie ich so an der Leiter hänge und das
^ramsegel einreffe, kommt etwas hinten nachgeschwommen; und da ich hinsehe, wer
oll's sein, als mein Volneh, der, wie er meiner ansichttg wurde, die linke Hand hoch
n die Höhe hebt und lacht. In wenigen Minuten war er am Schiff und wurde
Tau heraufgezogen, und alle unsere Leute waren wie närrisch vor Freuden über »
Jungen und herzten und küßten ihn; und da ich ihm drohte, lachten sie mich
.^us und schrieen, er stände unter dem Schutze Seiner Großbritannischen Majestät
«pfc dem ihrigen. Da tat ich ihm denn auch nichts und hatte innerlich selbst meine
Neude an seinem Ungehorsam. So war der Junge im vierten Jahre; im zehnten
Sjfr er ein tüchtiger Schiffsjunge, und jetzt, wo er zwölf Jahre alt ist, arbeitet er»
«r zwei und wird auch für zwei bezahlt."
Wenn der Alte so sprach, strahlten seine Augen, und sein ganzes Gesicht leuch¬
te vor Freude, und er konnte kaum das Ende seiner Erzählungen finden, und wir
Porten ihm alle gern zu, weil er ein so treuherziger Mann war und seine ErzählungS-
^ise uns höchlich ergötzte. Nun war unter den Reisegefährten ein französischer Kauf-
der seine Frau vor kurzem in Neuorleans verloren hatte und jetzt nach
^ordeaux reiste, um das Kind, das sie ihm hinterlassen hatte, zu seinen Schwieger-
."ern zu bringen. Dieses Kind, ein Mädchen von fünf Jahren, dem man das span¬
ische Blut in jeder Bewegung ansah, entwischt eines Morgens seiner schlummern-
M Wärterin und steigt auf das Verdeck, wahrscheinlich um den alten Beckner auf-»
Wchen, der sich viel mit dem Kinde abgab und ihm mancherlei Zeitvertreib machte.
^ dieser nun nicht gleich bei der Hand war, wagte es sich zu weit an den Rand
Jtn/ und indem es neugierig in die Tiefe blickt, wird es vom Schwindel ergriffen
fällt hinab. Die Wärterin, die dem Kinde nachgeeilt ist, sieht es fallen; auf
Jr Angstgeschrei kommt Beckner herbei, stürzt sich in das Meer, ergreift das Kind, w
durch die lockere Bekleidung noch über dem Wasser gehalten wird, und indem
** er mit der linken Hand fest hält, rudert er mit der rechten dem Schiffe nach. Das