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7. Läuft dort dem holden Kinde
Ein Mücklein im Gesicht? —
Nein, nur ein Schiff im Winde
Durch klare Wellen sticht. —
5 Trübt dort sich schon sein Lächeln,
Das erst so Helle schien?
O, nein, nur Lüste fächeln
Ob seinem Antlitz hin!
9. Dann geht's von Kraft zu Kräften»
Mit abgeklärtem Sinn
Und frischen Lebenssäften
Wallt's durch die Lande hin.
Es hilft dem Siegfried fechten,
Hört Rolands Minnewort
Und wahrt in stillen Nächten
Der Nibelungen Hort.
8. Es schläft und träumt so stille,
10 Doch ist die Ruhe kurz;
Denn, schau, sein Heldenwille
Umgürtet sich zum Sturz,
Bis er sich darf ausbrausen
10. Es bringt die Jugendwonne
Noch mit vom Bodensee,
Es lächelt in der Sonne
Mit süßem Heimatweh
Und weint oft, daß es wasche
Von seinem Pilgerfuß
Die dunkle Märt'rerasche
Des Gotteszeugen Hus.
Mit aller Jugendmacht
Und unter dir, Schaffhausen,
Aufdonnernd niederkracht.
208. Der Star von Segringen.
Bon P. Hebel.
Sämtliche Werke. Karlsruhe 1832. Bd. HI (Erzählungen des rheinischen Hausfreundes), S. 132.
10 Selbst einem Staren kann es nützlich sein, wenn er etwas gelernt hat, wie¬
viel mehr einem Menschen. — In einem respektabeln Dorfe, ich will sagen in Seg¬
ringen; es ist aber nicht dort geschehen, sondern hier im Land, und derjenige, dem es
begegnet ist, liest es vielleicht in diesem Augenblick, nicht der Star, aber der Mensch-
In Segringen der Barbier hatte einen Star, und der wohlbekannte Lehrjunge 0^
*5 ihm Unterricht im Sprechen. Der Star lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sei"
Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn
hörte, zum Exempel: ich bin der Barbier von Segringen. Sein Herr hatte
sonst noch allerlei Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zuw
Exempel: so so, lala; oder pur Compagnie (das heißt soviel als: in Ge-
rosellschaft mit anderen); oder: wie Gott will; oder: du Tolpatsch. So
titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den
Tisch strich, anstatt aufs Tuch, oder wenn er das Schermesser am Rücken abzog,
anstatt die Schneide, oder wenn er ein Arzeneiglas zerbrach. Alle die Redensarten lernte
nach und nach der Star auch. Da nun täglich viel' Leute im Haus waren, weil der
n Barbier auch Branntwein ausschenkte, so gab's manchmal viel zu lachen, wenn die
Gäste miteinander ein Gespräch führten, und der Star warf auch eins von seinen
Wörtern drein, das sich dazu schickte, als wenn er den Verstand davon hätte, und manch¬
mal, wenn ihm der Lehrjunge rief: „Hansel, was machst du?" antwortete ei"
„Du Tolpatsch", und alle Leute in der Nachbarschaft wußten von dem Hansel zn
«o erzählen. Eines Tages aber, als ihm die beschnittenen Flügel wieder gewachsen
rat, und das Fenster offen war und das Wetter schön, da dachte der Star: „Iw
hab' jetzt schon soviel gelernt, daß ich in der Welt fortkommen kann", und husch
zum Fenster hinaus. Weg war er. Sein erster Flug ging ins Feld, wo er sich
unter eine Gesellschaft anderer Vögel mischte, und als sie aufflogen, flog er mit ihnen,
«s denn er dachte: sie wissen die Gelegenheit hierzulande besser als ich. Aber sie flogen
unglücklicherweise alle miteinander in ein Garn. Der Star sagte: „Wie Gott
will." Als der Vogelsteller kommt und sieht, was er für einen großen Fang ge¬
tan hat, nimmt er einen Vogel nach dem andern behutsam heraus, dreht ihm den
Hals um und wirft ihn auf den Boden. Als er aber die mörderischen Finger wieder
«»nach einem Gefangenen ausstreckte, und denkt an nichts, schrie der Gefangene: Iw
bin derBarbier von Segringen", als wenn er wüßte, was ihn retten muß-
