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r« n ^bngens würde man sehr irren, wenn man bei der ausgezeichneten Sorge des Kur-
fc*nc Residenz ein Bild vom damaligen Berlin nach dem Muster des heutigen
würfe. Alles, was wir jetzt Schönheit, Pracht und Großartigkeit einer Hauptstadt nennen,
war nur eben im Keim vorhanden.
So war erst wenig Jahre vor dem Tode des Großen Kurfürsten der Anfang mit der s
^traßenerleuchtung gemacht. Es war zuerst so, wie es jetzt in manchen Häusern mit der
Erleuchtung des Hausflurs ist: es ging die Reihe herum. Immer aus dem dritten Hause
wußte eine Laterne mit einem brennenden Licht nach der Straße zu ausgehängt werden. Also
nach drei Tagen kam die Laterne von dem Nachbarn an den ersten zurück. Erst nachdem
wese Einrichtung mehrere Jahre bestanden und dann nicht ausreichend befunden worden, setzte io
man die Straßenlaternen auf hölzerne Pfähle ein wenig von der Häuserfront ab.
Gepflastert war Berlin noch nicht durchgängig; der Neumarkt z. B. bekam die Steine
zu Anfang der Regierung Friedrichs HI.
Stroh- und Schindeldächer, hölzerne und lehmerne Schornsteine — trotz aller Feuers-
gesahr —, Staketen vor den Häusern, wie in Dörfern, gab es noch die Menge. Wieder- is
Mentlich mußten Verordnungen deswegen ergehen; schon der Große Kurfürst hatte damit an¬
gefangen ; aber die Einrichtung einer Stadt, die über solchen Zuständen Jahrhunderte alt
^worden ist, tut sich nicht so leicht ab.
Mitder Reinlichkeit wares auch nichtgeradeweitgediehen. Vom Großen Kurfürsten her stand
bas Gesetz noch in Kraft, wonach täglich ein Gaffenmeister umherging und den Unrat in so
w Häuser warf, vor deren Front nicht gefegt war. Wenigstens anno 1700 mußte die Verord-
^3 sehr scharf erlaffen werden, daß wöchentlich zweimal jeder vor seinem Hause kehren sollte.
. Es gab damals allerdings mehr als jetzt zu kehren. Die Stadt hatte hier und dort
sehr ländlichen Anstrich; denn — was jetzt unglaublich scheint — Schweine liefen
' besonders unter den Linden und in der Dorotheenstadt, herum. Wir würden uns jetzt «s
solche saubere Spaziergänger unter den Linden ziemlich wundern. Damals aber konnten
wderholte Befehle nicht durchsetzen, daß der mittelste Gang der Lindenallee gehörig ver-
Mt und gegen Verunreinigung geschützt war.
^ . Man sieht, Berlin hat vorzeiten einen mehr gemütlichen und zutraulichen, etwas
ENlger genierten Charakter gehabt, — aber nicht bloß der Schweine wegen. so
^ Vollaubige Bäume standen noch vor den Häusern, selbst in den engeren Straßen;
^.Echstöcke rankten sich um die Fenster bis ins zweite Geschoß. Jeder saß da unter seinem
wnstock und freute sich der Früchte seines Fleißes,
h Wer einen dieser Bäume oder Weinstöcke beschädigte, dem wurde die rechte Hand abge-
wn. Das Gesetz bestand noch vom Großen Kurfürsten her. 35
dj. vielen breitfrontigen Häuser in der Stadt gab es noch nicht; schnell stiegen sie in
^ Höhe, den Giebel nach vorn. Wer ein Haus besonders schön baute, ließ ein oder zwei
{ntsiC ^springen: da setzte er sich in müßigen Stunden hinein und sah die ganze Straße
^ ^"9 nach rechts oder links. Heutzutage haben wir statt dessen Balkons, — aber die
ons in den Straßen benutzt doch niemand, sie sind zu luftig und staubig. 40
sieht an diesem Bilde von Berlin, an den Laternen, Schornsteinen, den Schweinen
bried ^ , daß mit der Polizei damals nur eben die ersten Einrichtungen hin und
tz w getroffen wurden. Im Jahre 1693 war die Errichtung eines Polizeidirektoriums in
"n der erste Anfang dazu.
unsere guten Berliner hatten zu der Zeit starke Abneigung davor. «s
breit f toaren echt deutsches Schrot und Korn, sie liebten das Alte und Gewohnte, daS
^gefahrene Geleise, den guten Schlendrian, und Großvaters Pantoffel, der genierte, drückte
"W sie nicht. Als die Polizei eingeführt wurde, schüttelten sie die Köpfe und sprachen:
^ Neuerungen?"
föt rTie Polizei war ihnen noch aus anderen Gründen unangenehm. »Wir sorgen selb st -a
ib>..^vung und Sitte; was sollen diese Wächter über uns?" fragten sie und fühlten
^hre gekränkt.
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