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Neben dem Hofplatz, und durch das Haus von demselben geschieden, erstreckt
sich der mehrere Morgen große Garten. Einige Obstbäume geben fast allein dem¬
selben ein gartenähnliches Ansehen, sonst gleicht er mit seinen Kartoffeln, Bohnen,
Kohl und den vielen grünen Grasplätzen, zum Weiden des jungen Viehes, voll-
ö kommen allem übrigen Acker. Nur unmittelbar unter den Fenstern des Hauses ist
das Walten einer pflegenden Hand sichtbar. Ein leicht aus Weiden geflochtener
Zaun umgibt hier einen kleinen Blumengarten. Sind es auch nur einige gaN!
gewöhnliche Blumen, Topfnelken, Goldlack, Levkojen, etwas Reseda und Salbeikraut,
so ist der Anblick doch erfreulich. An Sonn- und Festtagen, beim Besuch der Kirche,
w oder beim Anmähen des Weizens, oder ähnlichen festlichen Gelegenheiten werden
Sträuße aus dem Garten zum Schmuck am Busen getragen.
281. Gottesdienst. (1820.)
Bon F. Niickert.
Gesammelte poetische Werke. Frankfurt a. M. 1888. Bd. VI, S. 03.
r» Sieh! keinen Tropfen Wasser schluckt das Huhn,
Ohn' einen Blick zum Himmel auf zu tun;
Und ohne vor anbetend sich zum Staube
Geneigt zu haben, pickt kein Korn die Taube.
Was sie bewußtlos tun, tu du's bewußt,
A Daß du vor ihnen dich nicht schämen mußt.
282. Bulgarien. (1837.)
Von H. Graf von Moltke.
Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1838-183». Berlin 1877. S. 134.
Tirnowa, den 19. Mai 1837.
,?5 Was für ein wunderschönes Land ist doch dies Bulgarien! Alles ist grün; die Wände der
tiefen Täler sind mit Linden und wilden Birnbäumen bestanden, breite Wiesen fassen die Bäc^
ein, üppige Kornfelder bedecken die Ebene, und selbst die weiten Strecken unangebauten Landes
* sind mit reichem Graswuchs geschmückt. Die vielen einzeln stehenden Bäume geben der Gegend
einen besonderen Reiz und zeichnen ihren dunklen Schatten auf den lichtgrünen Teppich ab. ®'e
so Niederung der Donau erinnert lebhaft an die Dessauer Gegend; die Dörfer sind selten, aber 0W'
denn in einzelnen Gehöften zu wohnen ist noch ein Wagnis.
In der Nähe der Donau habe ich fast nur türkische Dörfer gefunden; wahrscheinlich fliU'
die christlichen Bewohner jenseits des Stromes in die Fürstentümer gezogen, von wo die Glocke^
herüberschallen, und wo ihre Kirchtürme die Häupter in die blaue Luft zu erheben wagen. Eine
so bulgarische Kirche kannst du dir wohl kaum vorstellen. Als ich vor anderthalb Jahren durch ^
Balkan reiste, übernachtete ich in einer elenden Hütte. Im Hofe neben dem Büffelstall stand eine
Art Schuppen, etwa 10 Fuß lang und breit; das Strohdach war so niedrig, daß man kaus"
darunter aufrecht stehen konnte; alles Licht kam durch die Tür. An der Hintern Wand hing ^
großes Wachstuch mit unzähligen Heiligenbildern: diese, ein paar Leuchter und ein Stück Tepps^
io bildeten die ganze Ausstattung des Inneren. Das war die Kirche des nicht unbedeutenden Dorst
Gasiabeilen. Hier in den Vorbergen des Balkans sind die meisten Bewohner der Dörfer Christs
Die Bulgaren kommen aus ihren Ortschaften hervor, um zu sehen, ob es wahr sei, daß Nasa^
Tschorbadschi („unser Brot-" oder eigentlich „Suppenherr") aus dem fernen Czaarigrad odek
Konstantinopel gekommen sei. Seit Jahrhunderten und bis noch vor ein paar Monaten war die
iü gerade so wahrscheinlich, wie etwa, daß eine Auster ihren Felsen verläßt, oder eine Schildkröte
außerhalb ihrer Schale umherwandelt.
Gestern mittag kamen wir hier in Tirnowa an. Nachdem ich kein Geschäft mehr W*'
folge ich jetzt mit den übrigen Sr. Hoheit Person zu Pferde. Da ich im Gefolge des Sulla"
eigentlich eine gänzliche Abnormität bin, so war es auch leicht, meinen Platz zu finden:
so ist überhaupt in einer schiefen Stellung, bald zuwenig, bald zuviel; da der Großherr mich at,c
alle Augenblicke rufen läßt, so mußte ich seiner Person nahe sein. Vorauf reitet der Pascha