Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

II. Goethes «üb Schillers Gedankenlyrik. 
Andre ziehen frohlockend dort ein mit den Gaben der Ferne, 
Hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz. 
Siehe, da wimmeln die Märkte, der Kran von fröhlichem Leben, 
Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr. 
Auf den Stapel schüttet die Ernten der Erde der Kaufmann, 
Was dem glühenden Strahl Afrikas Boden gebiert, 
Was Arabien kocht, was die äußerste Thule bereitet^ 
Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn. 
Da gebiert das Glück dem Talente die göttlichen Kinder, 
Von der Freiheit gesäugt, wachsen die Künste der Lust. 
Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen, 
Und, vom Meißel beseelt, redet der fühlende Steins 
Künstliche Himmel ruhn auf schlanken jonischen Säulen, 
Und den ganzen Olymp schließet ein Pantheon ein. 
Leicht wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der Senne, 
Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom. 
Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel 
Sinnend der Weife, beschleicht forschend den schaffenden Geist, 
Prüft der Stoffe Gewalt, der Magnete Haffen und Lieben, 
Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch den Äther dem Strahl, 
Sucht das vertraute Gesetz in des Zufalls gransenden Wundern, 
Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht. 
Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken, 
Durch der Jahrhunderte Strom trügt ihn das redende Blatt. 
Da zerrinnt vor dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes, 
Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht. 
Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriss' er 
Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham! 
Freiheit ruft die Vernunft, Freiheit die wilde Begierde, 
Bon der 'heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los. 
Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer 
Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der flutende Strom - 
Ins Unendliche reißt er ihn hin, die Küste verschwindet, 
Hoch auf der Fluten Gebirg' wiegt sich entmastet der Kahn- 
Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne, 
Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott. 
Ans dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und Treue 
Aus dem Leben, es lügt selbst aus der Lippe der Schwur. 
In der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe Geheimnis 
Drängt sich der Sykophant, reißt von dem Freunde den Freund. 
Aus die Unschuld schielt der Verrat mit verschlingendem Blicke, 
Mit vergiftendem Biß tötet des Lästerers Zahn. 
Feil ist in der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe 
Wirst des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg. 
Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug sich 
Angemaßt, der Natur köstlichste Stimmen entweiht, 
Die das bedürftige Herz in der Freude Drang sich erfindet- 
Kaum gibt wahres Gefühl noch durch Verstummen sich kund. 
Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht, 
Des Gesetzes Gespenst steht an der Könige Thron.
	        
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