Full text: Für Seminarvorbereitungsanstalten und Fortbildungsschulen (Bd. 1 = Vorstufe, [Schülerband])

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Beim Abschied nahm der Engel den Becher mit. Ich wollte zürnen, aber der Engel 
sprach: „Schweig‘ und ehre die Wege, die Gott geht.“ Darauf sprachen wir bei 
einem schlechten Manne ein, der uns sehr unfreundlich aufnahm und uns betrügerisch 
behandelte. Beim Weggang schenkte der Engel dem bösen Manne den goldenen 
Becher. Ich wollte zürnen, aber der Engel sprach: „Schweig' und ehre die Wege, 
die Gott geht.“ Dann kehrten wir in ein Haus ein, dessen Wirt traurig dasaß, denn 
seine Güter waren verpfändet, und morgen sollte er das Haus räumen, weil er nicht 
bezahlen konnte. Beim Weggange steckte der Engel ihm sein Haus an. Ich wollte 
zürnen, aber der Engel sprach: „Schweig' und ehre die Wege, die Gott geht.“ Zu— 
letzt kamen wir zu einem Vater, dessen Herzensfreude ein einziger Sohn war, den er 
wie sein Leben liebte. Der Engel stellte sich, als ob er den Weg nicht wisse, und 
der Vater gab uns seinen Liebling, den Sohn, zum Begleiter mit. Als wir über 
eine schmale Brücke gingen, stieß der Engel den Sohn ins Wasser, daß dieser ertranl. 
Da hielt ich mich nicht läuger; zürnend sprach ich: „Ein Engel bist du? Ein Teufel 
magst du sein, der sich verstellt in einen Engel des Lichts.“ Aber noch heller um— 
leuchtete ihn himmlische Glorie, und er sprach: „Kurzsichtiger, tadle nicht, sondern 
bete an. Jener Becher war vergiftet, er wurde dem Guten genommen zu seinem 
Heil, und dem Bösen gegeben zu seinem Verderben. Unter der Asche seines Hauses 
wird der Betrübte einen Schaß finden, womit er bezahlen kann. Der verzogene 
Sohn würde ein Bösewicht geworden sein, der einst Hand an seinen Vater gelegt 
hätte, zu beider Heil mußte er jung sterben.“ Und siehe, es waren bei dem Engel 
eine Menge himmlischer Wesen, die sangen: „Meine Gedanken sind nicht euere Ge— 
danken, und euere Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr; sondern so viel 
der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn euere 
Wege, und meine Gedanken, denn euere Gedanken.“ Und als die Engel wieder gen 
Himmel fuhren, betete ich an. und — erwachte. 
333. Beim Lesen der heiligen Schrift. 
Von L. Hensel. 
v. Diepenbrock, Geistlicher Blumenstrauß 
Sulzbach 1862. S. 411. 
Immer muß ich wieder lesen Wie er keinem Sünder wehrte, 
In dem alten, heil'gen Buch, Der mit Reue zu ihm kam, 
Wie der Herr so sanft gewesen, Wie er freundlich ihn bekehrte, 
Ohne Arg und ohne Trug. Ihm den Tod vom Herzen nahm. 
Wie er hieß die Kindlein kommen, Immer muß ich wieder lesen, 
Wie er hold auf sie geblickt, Les' und weine mich nicht satt, 
Und sie in den Arm genommen, Wie der Herr so treu gewesen, 
Und an seine Brust gedrückt. Wie er uns geliebet hat. 
Wie er Hilfe und Erbarmen Hat die Herde mild geleitet, 
Allen Kranken gern bewies, Die sein Vater ihm verliehn; 
Und die Blöden und die Armen Hat die Arme ausgebreitet, 
Seine lieben Brüder hieß. Alle an sein Herz zu ziehn. 
Laß mich knien zu deinen Füßen, 
Herr, die Liebe bricht mein Herz: 
Laß in Thränen mich zerfließen, 
Untergehn in Wonn' und Schmerz! 
334. Die Tauben. 
Von P. Scheitlin 
Die Tauben sind die Lieblinge vieler Menschen niedliche schöne, sanfte, schick— 
salsergebene Thiere, angenehm durch ihre Reinlichkeit, geliebt wegen ihrer Freundlichkeit
	        
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