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that, und wußtest es darum nicht. Darauf legte sie sich zu
Bette und betete laut; ich aber sprach ihr nach:
Herr Jesus, ich will schlafen gehn.
Laß vierzehn Engel bei mir stehn.
Zwei zu meiner Rechten,
Zwei zu meiner Linken,
Zwei zu meinen Häupten,
Zwei zu meinen Füßen,
Zwei, die mich decken.
Zwei, die mich wecken.
Zwei, die mich weisen
Zum himmlischen Paradeise!
Worauf wir ruhig einschliefen.
Am folgenden Morgen wachte ich früher auf, als die Mut-
ter. Die Schwalbe begann zu singen. Ich kleidete mich leise
an und trat an das Bett meiner Mutter, die hatte die Hände
ruhig gefaltet, und der junge Tag schien auf ihr Angesicht.
Ihr Anblick erfüllte mich mit Liebe und Trauer, denn ich hatte
Barbara, die Tochter des Hofmeisters, neulich also mit gefal-
tenen Händen stille im Sarge liegen sehen, und es ergriff mich
eine so tiefe Angst, daß ich meine Mutter mit ungestümen
Küssen erweckte. Sie erwachte in meinen Armen, und als ich
ihr die Ursache meiner Thränen sagte, nahm sie meine Hände
von ihrem Hals und faltete sie, und schloß sie in ihre lieben
Hände, und so beteten wir zusammen zu Gott, und dankten
ihm, daß er uns diese Nacht erhalten und uns verliehen habe,
diesen Tag zu unserer Besserung anzutreten. Am Schlüsse des
Gebetes sagte die Mutter: Du hast gefürchtet, ich sei todt, Jo¬
hannes. Sterben müssen wir Alle; halte dich an unsern Herrn
Jesum und die himmlische Mutter Maria, die weroen dir Va¬
ter und Mutter sein, besser als dein irdischer Vater und ich,
wenn auch ich dich verlassen muß. Und wenn ich einst die
Hände so schließe, um zu beten, da ich zur ewigen Ruhe ent¬
schlafe, so schließe auch deine Hände so in die meinigen und
bete mit mir, auf daß uns der Heiland zusammen in die ewige
Herrlichkeit seines Angesichts schauen lasse. Da ward ich still
und trat an das Fensterlein unserer Kammer, und sah nach
dem kommenden Tag.