Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

Vors Antlitz trat. Er solgete 
Stets dessen Lehren. Segen kam 
IV. Idyllen. 
Auf ihn. Sein langes Leben duünkt 
Auch ihm ein Frühlingstag zu sein. 
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a) Gliedexrung: 1. Einführung in die persönlichen, zeitlichen und örtlichen 
Verhältnisse der Handlung; Angabe der letzteren. 2. Empfindungen des Sohnes über 
die Schönheiten der Natur. 3. Ansprache des Vaters an den Sohn. 4. Wunsch des 
Sohnes. 5. Irins Tod; Beweise lindlicher Liebe seitens des Sohnes; des lehlennn 
Lohn für die Vefolgung der väterlichen Lehren — b) Grundgedanke: Habe offenen 
Sinn für die Schonheiten der Natur, befleißige dich der Tugend und erhebe Herz und 
Gemüt zu Gott. — q) Worterklärungen; Reusen sind aus Weiden geflochtene 
Behälter, welche beim Fischfange gebraucht werden. Anitzt — jeßt. Stor ein 
226 m langer Seefisch. 
125. Der siebzigste Geburkstag 
Johann Heinrich Voß. 
1. Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens, 
Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnitzwerk 
Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare geziert war; 
Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf, 
Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster, 
Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der Vorzeit, 
Einst Taufwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntnis, 
Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon manchen gesungen. 
Oft nun faltend die Händ' und oft mit lauterem Murmeln 
Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich 
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer. 
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke; 
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar 
Lag auf dem Buche die Mütze von violettenem Sammet, 
Mit Fuchspelze verbrämt und geschmückt mit goldener Troddel. 
Denn er seierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag, 
Froh des erlebten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias, 
Welcher als Kind auf dem Schemel gepredigt und, von dem Pfarrer 
Ausersehn für die Kirche, mit Not vollendet die Laufbahn 
Durch die lateinische Schul' und die teuere Akademie durch: 
Der war jetzt einhellig erwähleter Pfarrer in Merliz 
Und seit kurzem vermählt mit der wirtlichen Tochter des Vorfahrs. 
Fernher hatte der Sohn zur Verherrlichung seines Geburtstags 
Edeln Tabak mit der Fracht und stärkende Weine gesendet, 
Auch in dem Briefe gelobt, er selbst und die freundliche Gattin, 
Hemmeten nicht Hohlweg' und verschneiete Gründe die Durchfahrt, 
Sicherlich kämen sie beide, das Fest mit dem Vater zu feiern 
Und zu empfahn den Segen von ihm und der würdigen Mutter. 
Eine versiegelte Flasche mit Rheinwein hatte der Vater 
Froh sich gespendet zum Mahl und mit Mütterchen auf die Gesundheit 
Ihres Sohns Zacharias geklingt und der freundlichen Gattin, 
Die sie so gern noch sähen und Töchterchen nennten und bald auch 
Mutterchen, ach! an der Wiege der Enkelin oder des Enkels! 
Viel noch sprachen sie fort von Tagen des Grams und der Tröstung, 
Und wie sich alles nunmehr auflös' in behagliches Alter. 
„Gutes gewollt, mit Vertrau'n und Beharrlichkeit, führet zum Ausgang! 
Solches erfuhren wir selbst, du Trauteste; solches der Sohn auch! 
Leineweber, Voet. Blumenlese.
	        
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