Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

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Zweite Abteilung. Epische Poesie. 
Und wie im Meere Well' auf Well', 
So läuft's von Mund zu Munde schnell: 
„Des Ibykus? den wir beweinen? 
Den eine Mörderhand erschlug? 
Was ist's mit dem? was kann er 
meinen? 
Was ist's mit diesem Kranichzug?“ 
22. Und lauter immer wird die 
Frage, 
Und ahnend fliegt's mit Blitzesschlage 
Durch alle Herzen: „Gebet acht, 
Das ist der Eumeniden Macht! 
Der sromme Dichter wird gerochen, 
Der Mörder bietet selbst sich dar — 
Ergreift ihn, der das Wort gesprochen, 
Und ihn, an dens gerichtet war!“ 
28. Doch dem war kaum das Wort 
entfahren, 
Möcht' er's im Busen gern bewahren; 
Umsonst! der schreckenbleiche Mund 
Macht schnell die Schuldbewußten kund. 
Man reißt und schleppt sie vor den 
Richter, 
Die Scene wird zum Tribunal, 
Und es gestehn die Bösewichter, 
Getroffen von der Rache Strahl. 
a) Quelle des Gedichtes mögen die folgenden kurzen Notizen gewesen sein: 
1. Plutarch erzählt: „Als die Mörder des Ibykus im Theater ünd Kraniche 
herzukamen, so flüfterten sie einander zu: Da sind die Rächer des Ibykus. Die da— 
neben Sitzenden hörten es, und da schon lange Zeit Ibykus verschwunden war und 
gesucht wuͤrde, meldeten sie die Sache der Obrigkeil. So überführt, wurden jene hin— 
; nicht von den Kranichen bestraft sondern von ihrer eigenen Schwatzhaftig— 
eit, als von einer Exinnys überwältigt, den Mord herxrauszusagen.“ 2. Antipater 
Sidonios erwähnt des Ibykus und des ganzen Vorfalles mit folgenden Worten: 
„Räuber töteten dich, o Ibykos, während du harmlos wandeltest ennn Wegs an 
dem Gestade des Meers. Hilflos ziel du hinauf zu den Kranichen, welche en 
dir eileten, als du erblichst Zeugen der schrecklichen That. Nicht ren hobst du 
die flehende Stimme zum Himmel; durch der Vögel Geschrei rächten die Götter den 
Mord in des Sisyphos Land⸗“ 3. Suidas bemerkt; Von Räubern in der Wüste 
angegriffen, sagte er, im Notfalle würden die Kraniche, die eben über ihm flögen 
seine Racher sein. Und er selbst wurde zwar erschlagen aber später rief einer der 
Raäͤuber, als er in der Stadt Kraniche sah; Sieh da! die Rächer des Ibykus! Da 
semand dies gehört hatte und man dem Gesagten weiter nachforschte, wurde die be— 
angene That nde und die Räuber wurden zur Strafe gezogen.“ — b) Glie⸗ 
en 1. Ibykus, sein Vorhaben und sein Geschick (Str. 156). 2. Die Entdeckung 
des Moͤrdes; Eindruck, den die Nachricht von Ibykus' Tode macht (Str. 7 19. 
8. Die Entdeckung der Mörder und ihre Strafe (Str. 10523) — o9) Grund⸗ 
gedanke: Der Sänger steht in heiliger du und ein szrn gegen seine geheiligte 
zieht unausbleiblich die Rache des Himmels nach sich. — Die Poesie übt eine 
berwaältigende Wirkung auf das menschliche Gemüt aus — Und jede Larve fällt, 
und vor der Wahrheit mächt'gem Siege verschwindet jedes Werk der Lüge.“ — Jede 
bbse auch die im geheimen vollbrachte, wird bestraft und gerächt — ) Wort— 
und Sacherklärungen:; Kampf der Wagen — das Wagenrennen. Apoll — 
Gott der Dichtkunst — Rhegium öttt Regio) — Stadt an der Straße von Mes— 
sina. — Aklxokorinth — Burg von Korinth. — Poseidon — Gott des Meexes. 
Der „Gastliche“ (Str. 5) ist ein Beiname des Zeus — Prytane — Vorsteher des Ge— 
richtshofes erster Richter — Manen — die Seele des Vorstorbenen. — Helios — 
Sonnengott. — Theseus Stadt — Athen. — Eumeniden oder Erinnyen — Rache⸗ 
göktinnen (die personifizierten Gewissensbiss). — Die Scene Sdas Proscenium, vor— 
derer Teil der Bühne) wird zum Tribunal, d. i. zum Gerichtsplatze. 
171 Der Gang nach dem Eisenhammer. 
Friedrich v. Schillex. 
L.Ein frommer Knecht war Fridolin 
Und in der Furcht des Herrn 
Ergeben der Gebieterin, 
Der Gräfin von Savern. 
Sie war so sanft, sie war so gut; 
Doch auch der Launen Übermut 
Hätt' er geeifert zu erfüllen 
Mit Freudigkeit, um Gottes willen.
	        
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