Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

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Zweite Abteilung. Epische Poesie. 
Unbedachtsamkeit der Schwaben zu entkräften. — 9) Worterklärungen: Kunde — 
Nachricht; hier — Sage. — Lobesam oder lobesan löblich, lobwürdig, lobens— 
wert. — Abgethan — abgewöhnt. — Rößlein — kleines, niedliches Pferd; hier — 
liebes wertes Pferd. — Graus Gegenstand, der Grausen erregnnn Baß Arbat — 
rbelt oder: was der Arbeit. — Halt — halte meine ich, wie ich 
afür halte. 
193. Des Sängers Auch. 
Ludwig Uhland. 
1. Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr, 
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, 
Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz, 
Drin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz. 
2. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, 
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; 
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickl, ist Wut, 
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist But. 
3. Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, 
Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar; 
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß, 
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. 
4. Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn! 
Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton! 
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz! 
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.“ 
5. Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal, 
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl: 
Der König furchtbar prächtig wie blut'ger Nordlichtschein, 
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. 
6. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, 
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll; 
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, 
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor. 
7. Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit, 
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit, 
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, 
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebl 
8. Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott, 
Des Königs trotzge Krieger sie beugen sich vor Gott; 
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust, 
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. 
9. „Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?“ 
Der König schreit es wütend, er bhebi am ganzen Leib; 
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, 
Draus statt der goldnen Lieder ein Blulstrahl hoch aufspringt. 
10. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm 
Der Juüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
	        
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