Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

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Dritte Abteilung. Lyrische Poesie. 
Berühr' im Fluge sie die Zeit. 
Dem Schicksal leihe sie die Zunge; 
Selbst herzlos, ohne Mitgefühl, 
Begleite sie mit ihrem Schwunge 
Des Lebens wechselvolles Spiel. 
Und wie der Klang im Ohr vergehet 
Der mächtig tönend ihr entschallt, 
So lehre sie, daß nichts bestehet, 
Daß alles Irdische verhallt. 
10. Jetzo mit der Kraft des Stranges 
Wiegt die Glock' mir aus der Gruft, 
Daß sie in das Reich des Klanges 
Steige, in die Himmelsluft! 
Ziehet, ziehet, hebt! 
Sie bewegt sich, schwebt! 
Freude dieser Stadt bedeute, 
zriede sei ihr erst Geläute. 
a) Würdigung; Dieses Meisterwerk des Dichters woran er lange und mit 
besonderer Liebe gearbeitet, ig uns Schillers ganze ideale Geistesrichtung, wie es in 
leicher Weise kein anderes Gedicht von ihm thut. Die SGlocke— hat eine ebenso ein⸗ 
ß Komposition als großartige Durchführung; sie bilde gleichsam ein lyrisches 
Drama. Den Körper des Gedichtes hilden die 10 Meistersprüche 10) der Geist 
wird diesem Hörper eingegossen durch die 9 Meisterbelrachlungen ¶1). Spruch 
und Spruch, Spruch und Betrachtung, Betrachtung und Betrachtung stehen durch⸗ 
in innigster peneeu und durch das ganze Godicht zeigt sich ein 
eständiges ß ß zu höheren, i ealeren Gebilden. — by Gliederüng: 1. Ein— 
leitung: Vorbereitung Glockenguß. 2. Die Beziehungen der Glocke zum Leben in 
der nin 3. Die icunn der Glocke zum ffentlichen Leben. 4. Schluß: Die 
Glockentaufe; Bestimmung der Glocke für das xeligiöse Leben — o) Kurze Inhalts— 
angabe der Meistersprüche und der Betrachtungen: 1. Aufmunterung zur 
anstrengenden Arbeit. L Mahnung, mit Hand und Verstand zu arbeilen. Be— 
ginn des Gusses. II. Angabe und Bedeutsamkeit des Gegenstandes, woran sich dies⸗ 
mal die Betrachtungen anschließen sollen. 3. Behandlung des schmelzenden Melalls. 
III. Die Jugendzeit — ¶ Prüufung der Wischung. V das glückliche Familien⸗ 
leben. — 5. Der Guß der Glocke. V. Die Feuersbrunst. 6. Besorgnis, ob der 
Guß geraten sei. VI. Der Tod der Gattin — Ruhe-⸗ und Erholungsʒeil nach ge⸗ 
thaner Arbeit. VIL Friede und Wohlstand im ländlichen und flädtischen Leben. 
8. Das Zerbrechen des Mantels VIII. Aufruhr und Rovolution 68 zur Auflösung 
aller menschlichen dn und Sitte, d. i. bis zum Tode des Staatskörpers. — 
9. Der Guß ist uarn LR. Die Glockentaufe und die Angabe der uel iösen Be⸗ 
stimmung der Glocke. — 10. Das Emporwinden der Glocken hr erstes un und 
der daran geknüpfte Wunsch. 
X. 
Epigramme. 
445. Epigramme von Klopslock. 
1. Vergebliche Warnung. 
Jedes Wort, das ihr von dem Fremden, Deutsche, nehmt, 
Ist ein Glied in der Kette, 
Mit welcher ihr, die stolz sein dürften, 
Demütig euch zu Sklaven fesseln laßt. 
2. Meister und Gesell. 
Im Zeitenstrome bleiben oben 
Die Werke, die den Meister loben. 
Wer's umkehrt, ist Gesell; sein Werkchen trinkt 
Des Stroms, und sinkt. 
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