Full text: [Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband])

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22. Prinzessin Ilse (Harz). 
Die Brüder Grimm. Deutsche Sagen. Berlin. 1816—18. Nicolaische Buchh. I. 8 . 407. 
Der Ilsenstein ist einer der größten Felsen des Harzes; er liegt auf 
der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit Ilsenburg am Fuße 
des Brockens und wird von der Ilse bespült. Ihm gegenüber erhebt 
sich ein ähnlicher Fels, dessen Schichten zu diesem passen und bei einer 
Erderschütterung davon getrennt zu sein scheinen. 
Bei einer großen Wassersnot flohen zwei Geschwister, Kinder eines 
Königs, dem Brocken zu, um der immer höher steigenden Über¬ 
schwemmung zu entrinnen. Ehe sie noch denselben erreichten und 
gerade auf einem andern Felsen zusammenstanden, spaltete sich der Fels 
und drohte, sie zu trennen. Auf der linken Seite, dem Brocken zuge¬ 
wandt, stand die Jungfrau, auf der rechten der Jüngling, und mitein¬ 
ander stürzten sie umschlungen in die Fluten. Die Jungfrau hieß Ilse. 
Noch alle Morgen schließt sie den Ilsenstein auf, sich in der Ilse zu 
baden. Nur wenigen ist es vergönnt, sie zu sehen; aber wer sie kennt, 
preist sie. Einst fand sie früh morgens ein Köhler, grüßte sie freund¬ 
lich und folgte ihrem Winken bis vor den Felsen; hier nahm sie ihm 
seinen Ranzen ab, ging hinein damit und brachte ihn gefüllt zurück. 
Doch befahl sie dem Köhler, er sollte ihn erst in seiner Hütte öffnen. 
Die Schwere des Ranzens fiel dem Köhler auf, und als er auf der Ilsen- 
brücke war, konnte er sich nicht länger enthalten; er machte deshalb 
den Ranzen auf, sah jedoch nur Eicheln und Tannenzapfen. Unwillig 
schüttelte er sie in den Strom; sobald sie aber die Steine der Ilse be¬ 
rührten, vernahm er ein Klingen und sah mit Schrecken, daß er Gold 
verschüttet hatte. Der nun sorgfältig aufbewahrte Überrest in den Ecken 
des Sacks machte ihn jedoch trotzdem noch reich genug. 
23. Der Mägdesprung (Harz). 
Die Brüäsr Grimm. Deutsche Sagen. Berlin. 1816—18. Nicolaische Buchh. I. 8. 417. 
Zwischen Ballenstedt und Harzgerode in dem Selkethal zeigt das Volk 
auf einen hohen, durch eine Säule ausgezeichneten Felsen eine Vertiefung 
im Gestein, die einige Ähnlichkeit mit der Fußstapfe eines Menschen hat, 
und zwanzig bis dreißig Meter weiter eine zweite Fußstapfe. Die Sage 
davon ist aber folgende. 
Eine Hünin oder Riesentochter erging sich einst auf dem Rücken des 
Harzes von dem Petersberge herkommend. Als sie die Felsen erreicht hatte,
	        
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