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aus mir Gutes zu stiften, besitze. Ich freue mich dieses Standes — nicht um
der Auszeichnung willen, die er mir unter den Menschen verleiht, auch nicht
um der Genüsse willen, die sich mir in demselben darbieten, sondern um des—
willen, daß ich in demselben mehr wirken und leisten kann. Ich weiß, was ich
als Mensch und als Fürst der wahren Ehre schuldig bin. Nie will ich in
Dingen meine Ehre suchen, in denen nur der Wahn sie finden kann. — Meine
Kräfte gehören der Welt, dem Vaterlande. Ich will daher unablässig in dem
mir angewiesenen Kreise thätig sein, meine Zeit auf das beste anwenden und
so viel Gutes stiften, als in meinem Vermögen steht. Ich will ein aufrichtiges
und herzliches Wohlwollen gegen alle Menschen, auch gegen die geringsten —
denn sie sind alle meine Brüder — bei mir erhalten und beleben. Doch will
ich, meiner Pflicht gemäß, alles aufbieten, daß das Werk der Heuchelei und
Bosheit zerstört, das Schlechte und Schändliche der Verachtung preisgegeben
und das Verbrechen zur verdienten Strafe gezogen werde; davon darf mich kein
Mitleid zurückhalten. Nie will ich des Guten vergessen, das mir von Menschen
erwiesen worden ist. Den Pflichten des Dienstes will ich mit großer Pünkt—
lichkeit nachkommen und meine Untergebenen zwar mit Ernst zu ihrer Schuldig—
keit anhalten, ihnen aber auch mit freundlicher Güte begegnen.“
So schrieb Kaiser Wilhelm als achtzehnjähriger Jüngling. Ein kurzer
Ueberblick über sein Leben im Dienste wird zeigen, wie er sich das selbstgegebene
Versprechen hielt.
Der Krieg entbrannte aufs neue. Bei Ligny und Belle-Alliance leuchteten
die Waffen Preußens. Die hundert Tage rauschten vorüber. Prinz Wilhelm
kam in dieser Zeit nicht vor den Feind. Am 13. Juli 1815 traf er zum
zweitenmal in Paris ein; bei den Uebungen, welche dort den September hin—
durch stattfanden, führte er das 2. Bataillon des 1. Garde-Regiments zu Fuß,
und es ist merkwürdig genug, daß unser Kaiser die gründliche Schule als
Bataillons-Commandeur auf dem Pariser Marsfelde gemacht, daß er auf eben
diesem Felde damals der großen Fahnenweihe preußischer Regimenter beigewohnthat.
Am 30. März 1817 wurde Prinz Wilhelm zum Oberst befördert und
erhielt Sißz und Stimme im Staatsrate. Am 6. Juni ernannte ihn der
König, in Anerkennung seiner militärischen Bestrebungen, zum Chef des
7. Infanterie-Regiments, und auf der Reise nach Rußland, wohin der
Prinz seine geliebte Schwester, die Prinzessin Charlotte, als Braut des Groß—
fürsten Nikolaus geleitete, erschien er in den berührten preußischen Garnison—
städten als Bevollmächtigter des Königs und Inspecteur der Truppen und
Festungswerke. Im Februar 1818 ernannte Kaiser Alexander den Prinzen zum
Chef des Infanterle-Regiments Kaluga, mit dem er bei Bar sur Aube
zum erstenmal im Feuer gewesen war. Um diese Zeit trat Prinz Wilhelm
das Kommando der 1. Garde-Infanterie-Brigade an und sah sich am 30. Märʒ
zum Generalmajor befördert. Als dann der König und der Kronprinz im
Mai auf zwei Monate nach Rußland reisten, wurde dem Prinzen die Ober—
leitung sämtlicher Militärangelegenheiten übertragen, die er zur vollsten Zu—
friedenheit seines Vaters verwaltete. Dem entsprach es, wenn der Prinz 1819
zum Mitgliede des Kriegsministeriums mit Sitz und Stimme ernannt wurde.
Am 1. Mai 1820 erhielt Prinz Wilhelm das Kommando der 1. Garde—
Division, und im folgenden Jahre den Vorsitz einer Kommission, die das
Exerzierreglement der Infanterie umarbeiten sollte. Im Jahre 1822 präsidierte
er einer gleichen Kommission, welche eine Instruktion für die Aufstellung und
den Gebrauch größerer Kavalleriemassen entwarf, nachdem er selbst unter General