28
Das Geschrei der Gackeleia und der sterbenden Gallina weckte die
Mutter, die noch auf dem Lager schlief und mit Entsetzen ihre ganze Hoff¬
nung von der Katze erwürgt sah, die sich nebst ihren Jungen bald mit ihrer
Beute davon machte. Gackeleia und Hinkel weinten und rangen die Hände,
und der arme Alektryo, der das Wehgeschrei der Seinigen wohl gehört
hatte, flatterte und schrie in dem Sacke. Gackeleia wollte sterben vor
Angst, sie umfaßte die Kniee der Mutter und schrie immer: „Ach, der
Vater, der Vater! ach, was wird der Vater Gockel sagen! ach, er wird
mich umbringen! Mutter, liebe Mutter, hilf der armen Gackeleia!“
Frau Hinkel war nicht weniger erschreckt als Gackeleia und fürchtete
sich nicht weniger als diese vor dem gerechten Zorne Gockels; denn
sie hatte den wachsamen Alektryo in den Sack gesteckt. Als sie das
bedachte, fiel ihr auf einmal ein, sie wollte den Hahn Alektryo als den
Mörder der jungen Hühnlein angeben und hoffte, dadurch den Zorn
Gockels auf diesen unbequemen Wächter zu wenden.
Sie nahm daher den Sack, worin der Hahn war, und sagte: „Komm,
Gackeleia! wir wollen dem Vater nacheilen und ihm den Alektryo als
den Mörder der kleinen Hühner und der Gallina überbringen“ — und
so eilten sie nun beide, den Gockel einzuholen, der im Walde herum¬
strich, einiges Wild zu erlegen, das er bei dem Krämer gegen Hirse
vertauschen wollte.
Bald sahen sie ihn auch zwischen einem Busche zwei Schnepfen,
die sich in einem Sprenkel gefangen hatten, in seinen Ranzen stecken;
da fingen sie laut an zu weinen. Gockel schrie ihnen entgegen: „Gott
sei Dank! Ihr weinet gewiß vor Freude, Gallina hat gewiß dreißig schöne
Hühnchen ausgebrütet.“ — „Ach!“ schrie Frau Hinkel, „ach ja, aber!“ —
„Und alle waren bunt und hatten Büsche auf dem Kopf,“ unterbrach
sie der freudige Gockel. — „Ach!“ schrie Gackeleia, „ach ja, aber —
aber!“ „Was aber?“ sagte Gockel, „was aber weint ihr? Dreißig Hühner,
wenn jedes wieder dreißig Eier legt, macht aufs Jahr neunhundert
Hühner.“ — Da sagte Hinkel: „0 du Unglück über Unglück! Alektryo,
dein sauberer Haushahn, hat Gallina und alle die gegenwärtigen und
künftigen Hühner gefressen! Da habe ich ihn in den Sack gesteckt; da
hast du ihn, strafe ihn, ich will ihn nie wieder sehen.“ Mit diesen
Worten warf sie dem vor Schreck versteinerten Gockel den Sack mit
dem Hahn vor die Füße.
Gockel war über die schreckliche Nachricht, die alle seine Hoffnungen
zerstörte, ganz wie von Sinnen. „Ach!“ rief er aus, „nun gebe ich alles