98
sind hohe Berge, oben ringsum mit Schnee und Gletschern be¬
deckt. Manche Gletscher erstrecken sich in den Schluchten bis
zum Tale hinab. Die Seiten des Tales sind meistens steil
und mit losem Steingeröll bedeckt. Ost stürzen auch von oben
neue Steine herunter. Zwischen den Steinen stehen hier und
da einzelne Gräschen und Kräuter, nur an manchen Stellen
sind hübsche Alpenblumen.
In diesem Tale trafen wir viele Schafe; zuerst kamen uns
drei auf dem Wege entgegen. Als ich auf sie zuging und sie
streicheln wollte, liefen sie rasch an dem Vergabhange hin, daß
die Steine bei jedem Tritte in die Schlucht hinab rasselten.
Da hättest Du sehen sollen, wie sie springen konnten! Dann
kam von oben herab ein ganzer Haufen nach dem Pfade her¬
untergeklettert, wohl gegen zwanzig. Hier waren auch einige
kleine Lämmer dabei. Die meisten Schafe sahen braun aus,
ich glaube aber, daß sie wahrscheinlich von Schmutz und Erde
so geworden waren, denn sie müssen des Nachts auch im Freien
schlafen. Nun sahen wir im ganzen oberen Tale an beiden
Seiten kleine Häuflein von Schafen zerstreut, die an den Berg¬
wänden entlang kletterten und weideten.
Manche sollen freilich auch dabei zu Tode fallen. An einer
Stelle dicht am Wege hing ein Stück schwarzes Schaffell an
einer Stange. Der Führer sagte, es sei aufgehängt, damit man
im Nebel und bei Schneefall den schmalen Weg danach finden
könne. Es war ein sonderbarer Wegweiser.
Die kleine Schafherde lief uns ein großes Stück nach, wahr¬
scheinlich wollten die Tiere von uns etwas zu fressen haben,
etwas Brot oder Salz.
An der gegenüberstehenden Talseite sahen wir die Schäferhütte,
aus Steinen gebaut. Einen Schäfer oder einen Hund bemerkten
wir aber nicht. Im Frühjahr werden die Tiere vom Schnalser
Tale aus über den Gletscher herüber ins Rofener Tal getrieben
und bleiben die meiste Zeit über allein. Sie leben hier halb¬
wild. Fortlaufen können sie nicht, denn ringsum sind Schnee¬
felder und Gletscher, über diese gehen sie nicht, wenn sie nicht
dazu durch die Menschen gezwungen werden. Unten am Ein¬
gänge des Tales liegen die Bauernhäuser, denen die Schafweide
gehört. Mitunter geht ein Schäfer ins Tal hinauf und sieht nach,
ob die Tiere noch alle wohl und gesund vorhanden sind. Er gibt
ihnen dann etwas Salz zu lecken, um sie an sich zu gewöhnen; hat