Full text: [Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband])

hnen sehr viel Pein verursacht und ihnen Gehen und Bewegen und 
Lebens fröhlichkeit unmöglich macht, so verordnet oft der Arzt, daß sie 
sich die kranken Glieder mit Nesseln peitschen; diese reizen dann die 
Haut und fördern die Genesung. Die böse Nessel vertreibt die viel⸗ 
mal schlimmere Gicht. 
Mitunter wirst du in den Blättern der Nessel Löcher bemerken, 
und dann findest du auch meist an ihrer untern Seite stachlige, schwarze 
Raupen, häßlich anzusehen wie die Nessel selbst. Diese fraßen die 
Löcher ein und schmausten von den scharfen Blättern, ohne sich zu 
schaden; ja, sie mögen sogar kein anderes Futter haben und hungern 
sich zu Tode, wenn man ihnen anderes, als Nesselfutter, bietet. Sie 
werden von solcher Speise groß und dick und nach wenig Wochen 
haben sie sich in Schmetterlinge umgewandelt. Kein Pfauenspiegel, 
kein großer und kleiner Nesselfalter würde mit seiner wundervollen 
Farbenpracht im hellen Sonnenschein von Blume zu Blume sich 
schwingen und Honig saugen können und so Kinder und Erwachsene 
ergötzen, wenn nicht die Nesseln die Raupen dieser schönen Schmetter⸗ 
linge genährt hätten. Man könnte diese Schmetterlinge im Scherz 
wohl für die schönen Blüten der Nesseln halten, die nun durch 
ihren Farbenschmelz die Kinder für alle die Schmerzen entschädigen, 
welche früher die brennenden Blätter ihnen verursachten. 
Die jungen Blätter sind nicht bloß den Raupen ein willkommenes 
Futter. Im Frühjahr suchen fleißige Bauernmädchen, mit Handschuhen 
an den Händen, die Nesseln körbevoll zusammen, zerstampfen sie daheim 
und mischen sie mit Kleie zu einer vortrefflichen Nahrung für die jungen 
Gänschen, die von solcher Kost bald groß und stark werden und die 
Gänsebraten und weichen Bettfedern liefern. Es hat die Nessel zu 
dem schönen Bett und zu dem saftigen Braten auch redlich mit ge⸗— 
holfen. Ja zur Zeit der Hungersnot, wenn Kartoffeln und Getreide 
schlecht geraten waren, griffen ehedem arme Leute mitunter selbst 
zur Nessel und bereiteten aus ihr ein Gemüse, das dem Kohl ähnlich 
schmecken soll. Recht junge Nesseln, abgebrüht und ausgedrückt und 
bdann mit Essig und Ol bereitet, geben um Ostern einen schönen 
Salat zum Osterei. Getrocknet und mit kochendem Wasser übergossen 
liefern sie einen Thee, der dem Melissenthee sehr ähnlich ist. Der 
lange Stengel der Nessel, der oft einen Mann an Größe übertrifft, 
enthält so feste Fasern wie der Hanf und Flachs in den ihrigen, 
und man vermag aus ihnen Garn zu spinnen und Zeuge zu bereiten. 
Was meinst du nun zur Nessel? Ist sie dir noch der schlimme
	        
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