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138. Sonntag.
Der Sonntag ist gekommen,
Ein Sträußchen auf dem Hut;
Sein Aug' ist mild und heiter,
Er meint's mit allen gut.
Er steiget auf die Berge,
Er wandelt durch das Thal,
Er ladet zum Gebete
Die Menschen allzumal.
Und wie in schönen Kleidern
Nun pranget jung und alt,
Hat er für sie geschmücket
Die Flur und auch den Wald.
Und wie er allen Freude
Und Frieden bringt und Ruh',
So ruf' auch du nun jedem
„Gott grüß' dich!“ freundlich zu.
Hoffmann von Fallersleben.
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139. Die vVögel im Winter.
Lustig ist das Leben der Vöogel im Sommer. Wenn aber der
strenge Winter eintritt, Eis die Flüsse und Bäche überzieht, und fuß—
hoher Schnee die Fluren bedeckt, dann sieht es anders aus.
Manche der Vögel wußten freilich der Not zu entgehen: Storch,
Schwalbe, Wachtel, Nachtigall und noch manch anderer der gefiederten
Sänger haben uns mit Eintritt des Herbstes verlassen und sind in
wärmere Gegenden gewandert, wo kein Schnee und kein Frost sie
schrecken. Aber immer noch groß ist die Zahl der Vögel, die den
Winter über bei uns bleiben, und groß ist oft deren Not; denn
woher sollten sie auf den schneebedeckten Feldern Speise nehmen?
Höchstens sieht hie und da die dürre Rispe einer Melde oder
die Samenähre des Wegerichs aus dem Schnee hervor; und Buch—
finken und Lerchen wissen diese kleine Gabe wohl zu benutzen, denn
man sieht sie fleißig daran sitzen und picken.
Der größte Teil der Vögel sucht in der Nähe der menschlichen
Wohnungen, auf Landstraßen und Dungstätten seine Nahrung. An
letzteren Orten sieht man ganze Scharen hungriger Krähen, die mit
armseligen Bissen ihr Leben fristen. Auch auf den Eisschollen des