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Waldes dem alten Kuckuck die Kinder erziehen, ohne Dank
dafür zu ernten. In ein anderes Nestchen legt das Kuckucks¬
weibchen ein Ei, nach einigen Tagen in ein anderes Nest wie¬
der eins, so nacheinander 5 bis 6. Von diesen kommt denn
freilich manches um, indem es vom Iltis gefressen wird. Wenn
die Eier sämtlich untergebracht sind, trennt sich der alte
Kuckuck von seinem Weibchen. Jedes lebt wieder einsam für
sich, leidet auch das eigene Kind nicht, wenn es in seine Nähe
kommt. So lernt der junge Kuckuck nie Vater und Mutter
kennen; denn bald ziehen diese wieder hinweg nach andern
Ländern, in welche kein Winter kommt, und wo ihnen die
Nahrung nicht fehlt. Im Herbst finden sich auch die jungen
Kuckucke der Gegend zusammen, machen sich auf die Reise
und bleiben so lange in der Ferne, bis bei uns im Frühling ihr
Tisch von neuem gedeckt ist, und ihr vielbedeutender Ruf lockt
uns dann aus den Winterstuben hinaus in den Wald, Kuckucks¬
blumen ZU Suchen* Hermann Wagner.
184. Der Kuckuck.
Der Kuckuck sprach mit einem Star,
Der aus der Stadt entflohen war.
„Was spricht man," fing er an zu schreien,
„Was spricht man in der Stadt von unsern Melodeien?
5 Was spricht man von der Nachtigall?"
„Die ganze Stadt lobt ihre Lieder."
„Und von der Lerche?" rief er wieder.
„Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall."
„Und von der Amsel?" fuhr er fort.
10 „Auch diese lobt man hier und dort."
„Ich muß dich doch noch etwas fragen:
Was," rief er, „spricht man denn von mir?"
„Das," sprach der Star, „das weiß ich nicht zu sagen;
Denn keine Seele red't von dir."
15 „So will ich," fuhr er fort, „mich an dem Undank rächen
Und ewig von mir selber sprechen."
Christian Fürchtegott Geliert.
185.1 Unglück der Stadt Mden.
Diese Stadt heißt schon seit undenklichen Zeiten Leiden und hat
noch nie gewußt warum, bis am 12. Januar des Jahres 1807. Sie