Full text: [Teil 2 = Klasse 8, [Schülerband]] (Teil 2 = Klasse 8, [Schülerband])

79. Des Herbstes Gaben. von Robert Reimck. 
Märchen-, Lieder- und Geschichtenhuch. 13. Aufl. Bielefeld u. Leipzig 1904. S. 194. 
steigt der Herbst frisch von den Bergen nieder, und wie er wandert 
XJ durch den grünen Wald, gefälltes ihm nicht, daß überall das Laub 
dieselbe Farbe hat. Er sagt: „Viel hübscher ist's rot und gelb, das sieht 
sich lustig an!" So spricht er, und gleich färbt der Wald sich 4 
Und wie der Herbst drauf durch den Garten geht und durch den 
Weinberg, spricht er: „Was ist das? Der Sommer tat so groß mit 
seiner Hitze, und Wein und Obst hat er nicht reif gemacht? Schon gut, 
so zeig' ich, daß ich's auch versteh'!"s Und kaum gesagt, so haucht er 
Wein und Obst mit seinem Atem an, und siehe da, die Äpfel und die 
Pflaumen und die Trauben, zusehends reifen sie voll Duft und Saft. 
Drauf kommt der Herbst zur Stadt und sieht die Knaben in ihrer 
Schule sitzen voller Fleiß. Da ruft er ihnen zu: „Grüß Gott, ihr 
Buben! Heut ist Sankt Michaelistag, da gibt es lange Ferien. Kommt 
zu mir aufs Land! Ich hab' dem Wald sein Laub schön bunt geblasen, 
ich hab' dem Apfel rot gefärbt die Backen,'-ich will euch klar und blank 
die Augen wehen, und eure Backen will ich tüchtig bräunen, wie sich's 
für Jungen schickt. Versteht ihr mich?" — So spricht der Herbst, und 
jubelnd ziehn die Knaben auf seinen Ruf durch Berg und Wald und 
Feld und kehren heim mit neuer Lust zur Arbeit. i 
80. Vom schlafenden Hpfel. Von Robert Reimck. 
Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch. 13. Aufi. Bielefeld u. Leipzig 1904. S. 24. 
1. 3m Baum, im grünen Bettchen, 
hoch oben sich ein Apfel wiegt, 
der hat so rote Bäckchen, 
man sieht's daß er irn Schlafe liegt. 
2. Ein Kind steht unterm Baume, 
das schaut und schaut und ruft hin¬ 
auf: 
„Ach, Apfel, komm herunter, 
hör' endlich doch mit Schlafen auf!" 
3. Es hat ihn so gebeten. 
Glaubt ihr, der wäre aufgewacht? 
Er rührt sich nicht irn Bette, 
sieht aus, als ob irn Schlaf er lacht. 
4. Da kommt die liebe Sonne 
am Himmel hoch daherspaziert. 
„Ach, Sonne, liebe Sonne, 
mach' du, daß sich der Apfel rührt!" 
5. Die Sonne spricht: „Warum 
nicht?" 
und wirft ihm Strahlen ins Gesicht, 
küßt ihn dazu so freundlich; 
der Apfel aber rührt sich nicht. 
6. Run schau! Da kommt ein Vogel 
und setzt sich aus den Baum hinauf. 
„Ei, Vogel, du mußt fingen; 
gewiß, gewiß, das weckt ihn auf!"
	        
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