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schickt. Nur einer war übriggeblieben, weil er hinter den
andern stand und sich nicht vordrängen wollte; das war
der Distelfink. Als er endlich auch herbeikam, da hatte
der liebe Gott alle Farben verbraucht, und es war nichts
mehr übrig als die leeren Schälchen. Da weinte das arme
Vögelchen, daß es nicht auch ein so buntes Federkleid haben
sollte wie die andern. Der liebe Gott aber redete ihm zu
und sprach; „Sei ruhig, es ist noch in jedem Schälchen
ein klein wenig Farbe zurückgeblieben, das will ich mit dem
Pinsel austupfen und auf deine Federn streichen.“ Und
er tat es und malte den Distelfink ein bißchen rot und ein
bißchen blau und ein bißchen schwarz und ein bißchen
grün; aus allen Schälchen ein wenig, so daß er der
bunteste unter allen Vögeln wurde und dem lieben Gott
dankte, daß er ihn so schön gemacht hatte.
27. Lotte und der frübling. von h. Otto.
Für unsere Kleinen. Von G. Chr. Dieffenbach. Herausgegeben von B. Mercator.
20. Band. Gotha o. J. 8. 100.
®s war an einem sonnighellen Frühlingstag. Die Vögel sangen
im Walde von allen Zweigen ihre schönsten Lieder; Mückchen
schwirrten fröhlich durch die Lust; aus dem warmen Moos krochen
und krabbelten allerlei Tiere hervor und freuten sich des Sonnen¬
scheins und der Frühlingslust, kurzum, es war ein Tag, wie man
ihn sich kaum schöner denken kann.
Försters Lotte, die allzeit fröhlich im Walde umhersprang
und sonst ihre Freude an Tieren und Pflanzen hatte, dachte nicht
so. Langsam schlenderte sie den Waldweg entlang, der, nahe bei
ihrem Hause, ihr von Mutter zu gehen erlaubt war, und legte
ihr Gesichtchen in ernste Falten. Ja, was fehlte Lotte nur?
Gestern hatten die Eltern das Kind mit in die Stadt ge¬
nommen. Nach lustiger Fahrt im Korbwagen hatte Lotte die
Blauaugen nicht weit genug aufmachen können, um all die Herr-