Full text: [Teil 3 = Klasse 7 (4. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 (4. Schuljahr), [Schülerband])

261 
123. Aus der Kindheit Kaiser Wilhelms I. 
Kaiser Wilhelm I. war der zweite Sohn Friedrich Wil¬ 
helms III. und seiner edlen und schönen Gemahlin Luise. Er 
wurde am 22. März 1797 geboren, also in demselben Jahre, 
in dem sein Vater den Thron bestieg. Er war ein schwächliches 
51inb, und die Mutter nannte ihn ihr „Angstkind". Trotzdem 
tummelte er sich wacker umher, lernte fleißig und gewissenhaft 
und übte sich besonders gern als kleiner Soldat. Der Unter¬ 
offizier Vennstein ließ ihn rechtsum und linksum machen. Ein 
stolzer Augenblick in seinem Kinderleben war es, als er sich am 
Weihnachtsfeste 1803 seiner Mutter in Husarenuniform vorstellen 
konnte. Seine Mutter schrieb über ihn an ihren Vater: „Unser 
Sohn Wilhelm wird, wenn mich nicht alles trügt, gerade wie 
sein Vater, einfach, bieder und verständig. Auch in seinem Äußeren 
hat er die meiste Ähnlichkeit mit ihm." Wie die Mutter, so 
war auch der königliche Vater am glücklichsten im Kreise seiner 
zahlreichen Kinder. Ost und gern besuchte er die Kinderstube, 
spielte mit den Kindern, nahm die kleinsten auf die Arme und 
liebkoste sie, zog für alle kleine Gaben aus der Tasche und freute 
sich über den Jubel der Kinder. Abends ging er mit der Mutier 
noch einmal an alle Kinderbetten, labte sich an dem Anblick der 
schlafenden Kinder und küßte sie wohl segnend auf die Stirn. 
Bei solcher Sorgfalt und Liebe in der Erziehung mußten die 
Kinder gedeihen. Prinz Wilhelm war ein Kind von kaum 
10 Jahren, als das schwerste Unglück über Preußen hereinbrach. 
Napoleon besiegte die Preußen bei Jena und nahm in kurzer 
Zeit das ganze Land ein. Die königliche Familie flüchtete bis 
an das nordöstliche Ende des Reiches nach Memel. Sie wollte 
lieber in die Hände Gottes, als in die Hände der Menschen 
fallen. Oft litt sie die größte Not. Wie oft sah der Knabe 
die geliebte Mutter weinen! Wie bangte er um ihr Leben, als 
sie todkrank im Wagen flüchtete oder in einer Bauernhütte am 
Nervenfieber daniederlag! Ihr treuer Leibarzt Hufeland be¬ 
richtet darüber: „Bei der heftigsten Kälte, dem fürchterlichsten 
Sturme und Schneegestöber wurde sie in den Wagen getragen 
und 20 Meilen weit über die kurische Nehrung nach Memel ge¬ 
bracht. Wir brachten 3 Tage und 3 Nächte, die Tage teils
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.