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Schürze über dem blitzenden Krönlein zusammen und ries, indem
sie davonlief: „Kommt schnell, ehe es zu spät ist!"
Nun eilten auch die anderen verdrießlich hinter den Büschen
hervor, nahmen ihre Schürzen und folgten ihr. Jedoch der
Schlangenkönig kam wie ein Pfeil aus dem Wasser hervorge¬
schossen und begann so hell und durchdringend zu pfeifen, daß es
durch den ganzen Wald schallte. Indes nun die Mädchen raunten
und das kleine Quellwasser zu erreichen suchten, das sein spär¬
liches Genese! in den Teich ergoß, raschelte und zischte es gar
grausig von allen Seiten durch das Gras und Kraut von Hun¬
derten von Schlangen, die auf den Ruf ihres Königs eiligst herzu¬
kamen. Jedoch gelang es den Mädchen noch rechtzeitig, über das
fließende Wasser zu springen, also daß sie sich der Rache des be¬
raubten Schlangenkönigs glücklich entzogen.
Als nun die anderen Mädchen den erworbenen Schatz be¬
trachteten und gewahr wurden, wie überaus zierlich und fein dieses
Krönlein gearbeitet war und wie es in seiner Mitte einen fun¬
kelnden, blauen Stein von ganz seltsamem Glanze trug, da ward
ihre Mißgunst und ihr Neid noch größer denn zuvor, und sie hätten
der glücklichen Grete das köstliche Besitztum gern abgeschwatzt. Doch
so gut und fügsam auch diese sonst war, so blieb sie diesmal doch
fest und hielt allen Drohungen, Bitten und Schmeicheleien stand.
Ja, als ihr die eine ihr güldenes Sonntagskettlein mit dem Ko¬
rallenherzen und die andere ihren Ring mit dem hellblauen Stein
dafür versprach, schüttelte sie nur mit dem Kopf und hielt die Hand
fest aus der Tasche, in der sie den Schatz barg. Sie lagen ihr in
den Ohren, bis die Zeit kam, die Gänse nach Hause zu treiben,
allein sie erreichten nichts und mußten ohne das Krönlein ab¬
ziehen.
Die arme Witwe war hocherfreut, als ihr Grete zeigte, was
sie mitgebracht hatte. „Das ist ein herrlicher Schah," sagte sie,
„nun hat alle unsere Not ein Ende."
Nachdem sie wohl eine Stunde lang das zierliche Ding be¬
sehen und hin und her gedreht und im Lichte der Lampe hatten
funkeln lassen, ward es sorglich eingewickelt und in die Truhe ge¬
schlossen.
Danach gingen Mutter und Tochter zu Bette. In der Nacht
erwachten beide von einem leisen, pfeifenden Getön und waren