Full text: [Teil 1 = Klasse 9 (2. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 1 = Klasse 9 (2. Schuljahr), [Schülerband])

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Das Mädchen zitterte und bebte vor Angst und Bangigkeit 
wie ein Espenlaub, doch blieb sie standhaft, sah sich nicht um, nicht 
rechts, nicht links. Als sich aber das zwölfte Zimmer öffnete, strahlte 
beiden ein glänzender Lichtschimmer entgegen, es erschallte drinnen 
eine liebliche Musik, und es jauchzte überall wie Freudengeschrei, 
wie Jubel. Ehe sich die Braut nur ein wenig besinnen konnte, 
noch zitternd vom Schauen des Entsetzlichen, und nun wieder dieser 
überraschenden Lieblichkeit — tat es einen furchtbaren Donner¬ 
schlag, also daß sie dachte, es breche Erde und Himmel zusammen. 
Aber bald ward es wieder ruhig. Der Wald, die Höhle, die Gift- 
tiere, der Bär — waren verschwunden; ein prächtiges Schloß, 
mit goldgeschmückten Zimmern und schön gekleideter Dienerschaft 
stand dafür da, und der Bär war ein schöner, junger Mann geworden, 
war der Fürst des herrlichen Schlosses, der nun sein liebes Bräut- 
chen an das Herz drückte und ihr tausendmal dankte, daß sie ihn 
und seine Diener, das Getier, so liebreich aus seiner Verzauberung 
erlöset. 
Die nun so hohe, reiche Fürstin trug noch immer ihren schönen 
Nußzweig am Busen, der die Eigenschaft hatte, nie zu verwelken, 
und trug ihn jetzt nur um so lieber, da er der Schlüssel ihres holden 
Glückes geworden. Bald wurden die Eltern und ihre Geschwister 
von diesem freundlichen Geschick benachrichtigt und wurden für 
immer, zu einem herrlichen Wohlleben, von dem Värenfürsten auf 
das Schloß genommen. Ludwig Bechstein.
	        
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