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Ich lag und schlief; da träumte
mir
Ein wunderschöner Traum:
Es stand auf unserm Tisch vor mir
Ein hoher Weihnachtsbaum.
140. Der Traum.
Und als ich nach dem Baume sah
Und ganz verwundert stand,
Nach einem Apfel griff ich da,
Und alles, alles schwand.
Und bunte Lichter ohne Zahl,
Die brannten ringsumher;
Die Zweige waren allzumal
Von goldnen Apfeln schwer.
Und Zuckerpuppen hingen dran:
Das war ’mal eine Pracht!
Da gab’s, was ich nur wünschen
kann
Und was mir Freude macht.
Da wacht’ ich auf aus meinem
Traum,
Und dunkel war’s um mich;
Du lieber, schöner Weihnachts¬
baum,
Sag’ an, wo find’ ich dich?
Da war es just, als rief er mir:
„Du darfst nur artig sein,
Dann steh’ ich wiederum vor dir ; —
Jetzt aber schlaf nur ein!
Und wenn du folgst und artig bist,
Dann ist erfüllt dein Traum,
Dann bringet dir der heil'ge Christ
Den schönsten Weihnachtsbaum.“
Hoffmann v. Fallersleben.
141. Der Tannenbaum.
l.
Draußen im Walde stand ein so niedlicher Tannenbaum; er
Hatte einen guten Platz, Sonne konnte er erhalten, Luft war genug
vorhanden, und rundherum wuchsen viele größere Kameraden, sowohl
Tannen als Fichten. — Aber der kleine Tannenbaum wollte so gern
schnell wachsen.
Er dachte nicht an die warme Sonne und die frische Luft, er
kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die umhergingen und
schwatzten, wenn sie draußen waren, um Erdbeeren oder Himbeeren
zu suchen; oft kamen sie mit einem ganzen Näpfchen voll oder hatten
Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann fetzten sie sich bei dem
kleinen Baume nieder und sagten: „Nein, wie niedlich klein er ist!"
Aber dies mochte der Baum gar nicht hören.
Nach einem Jahre war er einen langen Trieb größer, und wieder
nach einem Jahre war er um noch einen länger; denn bei einem