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Haut war größtenteils in der Eiche geblieben. Er litt entsetzliche
Schmerzen, er blutete entsetzlich, er war los, aber er konnte nicht
von der Stelle, weder gehen noch kriechen, und so war sein Elend
nur wenig gebessert.
Jetzt kamen sie heran, drangen mit großem Geschrei herbei
und ermahnten einander tapfer: „Schlagt zu! Schlagt zu!"
Aber weil der Bär wieder frei war, war den meisten doch der
halbe Mut entgangen, und viele standen hinten und hoben nur
die Knüttel in die Höhe und droheten schrecklich dazu. Viele aber
schlugen und stachen zu, jedoch mit großer Sorge und Vorsicht,
und darum wurden die Püffe und Schläge nicht so ganz arg und
tödlich.
Zuletzt gab ihm Rustefeils Bruder, der Stärkste im Dorfe, mit
einem langen und großen Knüttel einen Schlag, daß ihm die Sinne
vergingen; aber in Angst und Schrecken und Betäubung sprang er
wie rasend auf und fuhr unter den Haufen. Da stoben sie mit
Angstgeschrei alle auseinander, und einige Weiber stürzten in den
nahen Vach, der reißend und tief dort vorüberfloß.
In der Verzweiflung stürzte sich auch Braun in den Bach
und wollte sich selbst im Wasser ein Leides tun, um seine großen
Schmerzen loszuwerden, denn er wußte nicht, daß er schwimmen
konnte, aber er konnte es, als er im Wasser war. Da ging es ihm
wie vielen, die auch nicht wissen, was sie können, und vielleicht
auch nicht können, was sie wissen.
Braun konnte schwimmen, wie er zu seinem Erstaunen inne
ward. Er schwamm und war in dem schnellen Fluß in kurzem eine
Meile weit geschwommen und kroch dann mühselig ans Land.
„Da schwimmt er hin!" riefen die Bauern ärgerlich, als Braun
sich ins Wasser stürzte, „und es ist eine Schande für uns, und wir
werden zum Gespülte der Nachbarn und müssen uns vor ihnen
schämen, und sie werden uns Spottnamen anhängen."
Eins tröstete sie jedoch, nämlich, daß in dem Eichklotz noch
Haut und Haar von Äopf und Füßen steckten; denn als sie das
gewahr wurden, wurden sie wieder witzig und sagten: „Komm doch
wieder, Braun! Du hast ja die Pudelmütze und die Handschuhe
vergessen!"
Der Bär lag am Flusse, schmerzensvoll und lebenssatt, als
ihn Reineke, der eben auf einer glücklichen Hühnerjagd gewesen