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hat, findet es nichts mehr in seinem Kruge, die Zunge der kranken
zu kühlen. — Oder wem wollen wir das Wohltun des Pfarrers
von Weidenbach vergleichen und durch welch Gleichnis wollen wir
es vorbilden? Es war gleich dem Kinde, das die Goldfischlein
aus dem Glase vor dem Fenster nimmt und tut sie in den Topf
hinter dem Ofen, damit sie es wärmer hätten, denn in dem kalten
Wasser draußen in der Märzluft, oder legt sie in sein Bettlein, das
mit weichen Daunen gefüllt ist. Darum war es gut, daß der Pfarrer
ein Weib hatte, welches ihm mit Rat und Tat zur Seite war,
wenn sein Herz und seine Hand nach einem Werk der Barmherzig¬
keit verlangten. Dies bekannte und bezeugte auch der Pfarrer
von Weidenbach und niemals öfter, denn seit dem langen und
kalten Winter, von dem heutigestags noch die ältesten Leute an der
Altmühl erzählen.
Da klopfte eines Nachmittags ein wanderndes Handwerks-
bürschlein an seine Haustür, und weil die Pfarrfrau bei der Mutter
in der Stadt und die Magd mit dem Spinnrad bei der Nachbarin
war, mußte der Herr selber gehen und auftun. Reden konnte
das Bürschlein nicht viel, denn die Kälte schlug seine Kinnbacken
aneinander. Aber seine Weste mit drei Knöpfen und einem halben
machte es auf, so schnell es mit den roten steifen Fingern gehen
wollte, und zeigte, daß darunter kein Hemd sei, sondern nur die
bloße Haut. Dies war für den Pfarrer von Weidenbach zu viel.
Der Anblick ging ihm zu Herzen. Sein Mitleid lief mit ihm auf und
davon. Zuerst schob er das Bürschlein in die Stube auf seinen
Armsessel, der hinter dem Ofen stand. Dann rannte er hinauf
unter das Dach, wo noch die frisch gewaschene Wäsche hing; aber
sie war gefroren, und die Hemden hingen an den Seilen steif wie
Häute. Darauf machte er sich an die Kammer, darin die Pfarrerin
ihr weißes Zeug aufbewahrte. Weil er aber in der Eile aufsperren
wollte, obwohl schon aufgesperrt war, brach er dem alten Schlüssel
den Bart ab und ließ ihn unverrichteter Dinge stecken. Dann wollte
er sein eigenes Hemd ausziehen und den Nackenden damit kleiden.
Als er aber in die Wohnstube kam, um den Schlüssel zu seiner Stu¬
dierstube zu holen, sah er aus dem Nähtisch der Pfarrerin ein
nagelneues Hemd. Das wickelte er schnell zusammen, drückte es
dem Bürschlein nebst einem Vierundzwanziger in die Hand und
wünschte ihm glückliche Reise.