mit einem Male wachte sie auf, denn es war ihr gewesen, als ob
etwas Weiches, Warmes ihre Hand berührte.
Mit erschrockenen Augen blickte sie empor. Es war ganz
dunkel im Zimmer, und durch die Dunkelheit sah sie zwei helle
Punkte leuchten. Was war das nur?
Die Punkte standen jetzt dicht vor ihr, und jetzt erkannte sie’s
auch: die Augen der Katze waren es! Die Katze stand auf ihrem
Bette und schaute sie unverwandt an. Röschen wollte schreien,
aber die Katze legte die Pfote vor den Mund zum Zeichen, daß
sie schweigen solle. Dann schlich sie sich noch näher an Röschen
heran, neigte sich zu ihrem Ohre und flüsterte ganz deutlich:
„Komm mit mir!“ Und als Röschen angstvoll das Köpfchen
schüttelte, da sagte die Katze nochmals: „Komm mit mir!“ aber
in einem so bestimmten Tone, daß Röschen keinen Widerstand
mehr wagte, sondern gehorsam aufstand und der Katze nachhuschte,
die jetzt die Tür geräuschlos aufmachte und im dunklen Korridor
verschwand.
Dann ging es abermals durch eine Tür und wieder durch
eine. Dabei war es ganz stockdunkel, und Röschen hätte nimmer
weitergefunden, wenn die Katze nicht fortwährend nach ihr um¬
geblickt hätte mit ihren leuchtenden Augen, die wie zwei Laternchen
den Weg erhellten.
Wohin der Weg führe, konnte Röschen nicht ergründen, und
zu fragen wagte sie nicht. Als sie so eine Weile gegangen waren,
blieb die Katze plötzlich stehen und pochte dreimal an eine Wand.
Da tat sich die Wand auseinander, und ein glänzend erleuchteter
Saal ward sichtbar. „Komm mit!“ sagte die Katze abermals; denn
sie hatte bemerkt, daß Röschen den Versuch machte umzukehren.
Dann traten beide in den Saal, während sich die Wand hinter ihnen
schloß.
Es war ein seltsames Gemach; Röschen hatte noch nie ein
ähnliches gesehen. Die Wände schillerten in den prächtigsten
Farben, und als sie genau hinsah, entdeckte sie, daß sie von oben
bis unten mit glänzenden Käfern bedeckt waren.
Von der Decke herab hingen kostbare Kronen; wie staunte
aber Röschen, als sie gewahrte, daß viele, viele Tausende von Glüh¬
würmchen da oben saßen und mit ihrem milden Glanze Tageshelle
verbreiteten. Bunte Girlanden schmückten die Wände; sie waren
jedoch nicht aus Blumen gemacht, sondern bunte Vögelchen
flatterten dort nebeneinander, mit ihren farbenprächtigen Federn
wie Blumen anzusehen. Vor Staunen und Bewunderung vergaß
Röschen ganz ihre Angst; doch ^ie kehrte sogleich wieder zurück,
als jetzt eine tiefe Stimme sagte: „Tritt näher, Menschenkind!“