182
sagen: „Wozu sind wir denn unser zwei und jung dazu und haben
kräftige Arme?“ Und ehe die Alte noch recht wußte, wie ihr
geschah, wurde auf einmal ihre Karre von jngendlichen Armen
den Berg hinausgeschoben bis oben auf die Höhe. Vergebens
mühte sich die alte Frau, schnell hinterdrein zu kommen; denn
ihr scharfes Auge hatte wohl erkannt, wer ihr da so unerwartet
zu Hilfe gekommen war. Als sie aber endlich oben angelangt
war und ihren Dank abstatten wollte, waren die beiden freund¬
lichen Helferinnen schon längst verschwunden.
141. Herzensgute unterer Kaiserin. von e™u evcrs.
Auguste Viktoria. 3. Auflage. Berlin 1897. 8. 163.
3m Jahre 1889 besuchte die Kaiserin das Ostseestädtchen Eckernförde in
Schleswig Holstein. Auf dem Bahnhof war ihr ein festlicher Empfang
bereitet, und ein Mädchen war ausersehen, sie mit einem Blumenstrauß
und einem Gedichte zu begrüßen.
Eine große Menschenmenge erwartete die hohe Frau auf dem Bahnhof.
Jetzt hält der Zug. Im Empfangszimmer steht die Kaiserin, und vor ihr
steht das Kind mit dem Blumenstrauß in der Hand. Fleißig hatte das
Mädchen seine Verse gelernt; aber jetzt, da es sie hersagen soll, bleibt ihm
das Wort in der Kehle stecken. Ängstlich blickt das Kind bald zu Boden,
bald um sich; doch kein einziges Wörtlein fällt ihm eim, Da neigt sich
die Kaiserin zu dem Mädchen, nimmt ihm den schönen Blumenstrauß aus
der Hand und spricht in freundlichem Tone: „Ei, den schönen Blumenstrauß
willst du mir schenken? So will ich dir — das Gedicht schenken!" Und
mit diesen liebreichen Worten streichelte sie dem Kinde die glühende Wange.
142. Ein Kinderfest der Kaiserin in Lothringen.
Die Landjugend. Herausgeg. von Heinrich Sohnrey. 4. Jahrg. Berlin 1901. S. 31.
In Uothringen liegt in anmutiger Gegend bei dem Dörfchen
Kürzel das Schloß Urville, das unserm Kaiser gehört. Fast alle
Jahre weilte das Kaiserpaar früher mit seinen jüngeren Kindern
einige Zeit auf diesem hübschen Fleckchen Erde. Wenn es aber
im Schlosse eintraf, dann zog auch erwartungsvolle Freude ein in
die Herzen der Dorfkinder, denn alljährlich bereitete ihnen die
Kaiserin ein schönes Fest. So war’s auch im Frühling des Jahres
1900. All das junge Volk von Kürzel, vom drei- bis vierjährigen
Bübchen bis zur Konfirmandin im letzten Schuljahre, nicht weniger
als 214 Buben und Mädchen, folgten der Einladung der Kaiserin
in das Gemeindehaus. Da standen sie nun im Sonntagsgewand,