Full text: [Teil 2 = Klasse 8, [Schülerband]] (Teil 2 = Klasse 8, [Schülerband])

Schlupfwinkel da unten entdecken. Was für merkwürdig zarte 
Fäden und Fadenbüschel waren da von einem Schilfstengel bis zum 
andern gewachsen! Wahrlich, auf dem Grunde des Meeres konnte 
es nicht seltsamer und märchenhafter sein! Eine ganze Schar 
schwarzer Taumelkäfer taucht aus der Tiefe an die Oberfläche 
empor. Die spielen Kriegen und jagen einander und fahren im 
Zickzack und dann wieder im Kreise auf dem Wasser dahin. Zahl¬ 
lose winzige grüne Blätter werden von ihnen an die Seite gedrängt, 
wie die Straßenfeger reinigen sie die schmutzige Wasserstraße des 
Grabens. Ein rosenroter Stichling schießt durch das Wasser, ein 
großer Schwimmkäfer mit gelbem Rande rudert von einer Seite 
zur andern, und dann steigt aus der Tiefe ein Salamander empor. 
Ohne ein Glied zu rühren, läßt er sich vom Wasser bis dicht an 
die Oberfläche heben und bleibt dort regungslos hängen. Die 
Sonne bescheint ihn, und seine prächtige Pantherhaut leuchtet in 
schwarz und rot und gelb. 
Ganz still ist’s am Graben. Nichts rührt und regt sich. Nur 
die Sonne scheint, und ein paar Mücken tanzen. Da fällt kaum 
hörbar in die lautlose Stille von einem wilden Rosenzweige, der 
über das Wasser ragt, ein kleines grünes Räuplein. Ungefähr vor 
die Nase des Salamanders ist es gefallen. Da kommt Leben in 
seine Glieder. Mit zwei Ruderbewegungen ist er bei der Raupe. 
Er schnappt zu und zerrt das Tierchen unter das Wasser. Und 
wie das Räuplein sinkt und immer tiefer sinkt, schwimmt der Sa¬ 
lamander ruhig und bedächtig hinterher, als denke er: Du entgehst 
mir doch nicht. 
Wieder ist alles still. An den Schilfstengeln kleben gelbliche, 
wunderzarte Schnecken und gleiten gemächlich stengelauf und -ab. 
Da huscht eine Ratte am Ufer dahin. Ihre gierigen Augen blicken 
frech nach allen Seiten. Sie nagt an einem alten, morschen Brette. 
Sie gräbt mit den Vorderfüßen aus dem Schlamme einen Apfel 
und nascht auch davon. Die Sonne, die ja auf die Gerechten und 
die Ungerechten scheint, wärmt auch ihren gelbgrauen Rücken und 
ihren langen Ringelschwanz, und die Ratte duckt sich nieder und 
dehnt sich und streicht mit den Vorderpfoten ein paarmal über 
den Kopf, als wäre es ihr sehr behaglich so! Da auf einmal 
hebt sie ihn, blickt eine Sekunde in die Ferne, und sich schnell 
umwendend, huscht sie in großen Sprüngen davon, sicher ihrem 
Loche zu. — 
Aber nichts ist zu sehen, gar nichts. Der Sonnenschein 
lagert auf dem Wasser, und der ganze Graben ruht im tiefsten 
Frieden. Wenn man ganz feine Ohren hätte, müßte man den Saft 
unter der Rinde kochen hören können. Und der Saft steigt, und
	        
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