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bekam einen ganz binnen Mnnd von betn Heidelbeersaft. Ihre Kleider
waren schadhaft geworden, und sie saß nnter der Farnkrantlanbe über
dem Wasser nnd machte sich nette ans Blumenblättern. Eine getrocknete
Glockenblume gab einen hübschen binnen Rock. Sie nähte mit einem
Wespenstachel und Spinitensäden und besetzte ihre Kleider mit Fliegen- 5
flügeln nnd bauten Schilddecken von ganz kleinen Käfern, welche sie tot
ans der Insel gefunden hatte. Als Mütze trug sie eine kleine rote Blüte
aus dem Kopfe.
Dann kam der Herbst heran, und es ward schon kalt des Nachts.
Bei Tage aber war der Himmel blau, und die Sonne schien warm, und io
in der Luft flogen weiße Spinnenfäden. Einmal in der Nacht, als der
Mond hell schien, erwachte sie in ihrem Bettchen von Blnmenwolle durch
anmutiges Singen und Gelächter lieblicher Stimmen. Sie schaute aus
dem Thürchen, da wimmelte die ganze Insel von zierlichen Gestalten,
nicht größer als Marie, aber so leicht und luftig wie ein Hauch. Sie 15
tanzten Ringelreihen, und fortwährend kamen noch mehr durch die Luft
auf Sommerfäden angefahren. Darauf saßen sie dichtgedrängt in langen
Reihen, das sah Marie ganz deutlich im Mondschein. Plötzlich erblickten
die kleinen Gestalten Marie und untringten sie.
„Wer bist du?" riefen sie. „Bist du ein Zwerg?" — „Nein, nein, 20
das ist ein Menschlein, ein ganz kleines Menschlein!" riefen andere.
Dann kam ein wunderschönes Fräulein, das war gewiß die Königin,
denn sie trug einen feinen Goldreif im Haar, und die anderen machten
ihr alle ehrerbietig Platz.
„Wie kamst du hierher, kleines Menschenkind?" fragte sie. 25
Marie erzählte ihre Geschichte.
„Willst du mit uns kommen?" sprach das Fräulein; „wir sind Elfen
und reisen nach den warmen Ländern."
„Ach ja," sagte Marie, „denn wenn erst Schnee fällt, dann frieren
mir hier die Beine ab, und ich habe auch nichts zu essen." 30
Die ganze Nacht tanzten die Elfen auf der Insel im Mondschein,
und Marie sah ihnen zu. Am Morgen aber setzten sie sich auf ihre
Spinnenfäden, nahmen Marie zwischen sich und flogen mit ihr im Morgen¬
wind davon.
Der grüne Frosch hatte alles mit offenem Maule angesehen. Ganz 35
verwundert schwamm er anfangs hinterher. Dann ließ er sich mit ge¬
streckten Beinen treiben und glotzte den Sommerfäden so lange nach, als
er sie sehen sonnte. Sie verschwanden bald in der blauen Luft, und
nachdenklich schwamm er wieder ans sein Blatt zurück. „Koarx, koarx!
Dummheiten! Dummheiten!" sagte er und verachtete die Elfen unbeschreiblich. 40
Den ganzen Tag flogen diese im Sonnenschein über die Wipfel der
Bäume dahin. — „Wir fahren zum See," sagten die Elfen, „dort im
Schilfe übernachten die Schwalben, die nehmen uns mit in die warmen
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