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2. Der König wartet.-
Friedrich Wilhelm IV. wollte einmal mit der Eisenbahn nach
Potsdam fahren. Er war auch pünktlich am Bahnhöfe, stieg aber
nicht ein, trotzdem es bereits dreimal geläutet hatte. Gerade als
einige Herren im Begriff waren, den König zu erinnern, dass es
Zeit sei einzusteigen, kam noch eine alte Frau mit einem schweren
Korb keuchend auf den Bahnhof zu. Der König hatte sie von
ferne längst gesehen und war deshalb nicht eingestiegen. Als die
Alte nun glücklich auf dem Bahnhöfe angekommen war, ging er
auf sie zu, klopfte ihr freundlich auf die Schulter und sagte:
„Ja, Mütterchen, da wären Sie richtig zu spät gekommen, wenn
ich nicht gewartet hätte." Aus Trog, Zollern-Sagen.
99. Vom Kronprinzen von Preußen.
Es war im Juli des Jahres 1865. Auf der Promenade des
Bades zu Karlsbad in Böhmen schritten die Badegäste auf und ab
und lauschten der Musik, die fröhlich vom Kurhause herüberschallte.
Unter den Spaziergängern befand sich auch ein Herr, der von allen
Seiten auffallend ehrfurchtsvoll begrüßt wurde und deshalb einsamere
Wege aufsuchte.
Da fühlte er sich plötzlich am Rockschoße erfaßt. Er blickte
um und sah ein blasses Mädchengesicht, das flehend zu ihm empor¬
schaute. „Wer schickt dich betteln, mein Kind?" fragte der Fremde.
„Meine kranke Mutter!" antwortete die Kleine. „Wo ist dein Vater?"
„Der ist tot. — Ach, uns hungert so sehr!" setzte sie schluchzend
hinzu. Der Herr, der schon seine Börse gezogen hatte, steckte sie
wieder ein.
„Führe mich zu deiner Mutter, Kleine!" sagte er und folgte dem
Mädchen, das ihn durch mehrere Straßen und Gäßchen bis zu einem
kleinen baufälligen Hause führte. „Hier wohnen wir, Herr!"
Sie schritten zwei schmale, alte, knarrende Treppen hinauf.
Dann öffnete die Kleine eine Bodenthür, und der Herr blickte in eine
halbfinstere Dachkammer; der Verschlag war feucht und kalt, und in
der Ecke lag auf ärmlichem Lager eine junge Frau, der das Elend
in den Augen zu lesen war. Sie richtete sich stöhnend auf, als der
Fremde eintrat. „O, Herr Doktor," sagte sie, „es ist nicht recht, daß
meine Tochter Sie heimlich gerufen hat. Ich habe keinen Heller und
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