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130. Vergißmeinnichts Name.
Als der liebe Gott Himmel und Erde erschaffen und alles,
was auf der Erde ist, da benannte er auch die Pflanzen. Und es
kamen Blumen von mancherlei Art, die der Herr bedeutungsvoll
mit Namen benannte. „Aber,“ fügte er hinzu, „gedenket des
Namens, den euch der Herr, euer Gott, gegeben.“
Siehe, da kam bald darauf ein Blümlein, angetan mit der
Farbe des Himmels, bläulich schimmernd und gelb, und fragte:
„Herr! wie hast du mich genannt? Ich habe meinen Namen ver¬
gessen.“
Der Herr sprach: „Vergiß mein nicht!“ — Da schämte sich
das Blümchen und zog sich zurück an den stillen Bach, in das
dunkle Gebüsch, zur Einsamkeit und trauerte. Wenn es aber
jemand sucht und pflückt, dann ruft es ihm zu: „Vergiß mein
nicht!“ Alexander Cosmar.
131. Sei bescheiden!
1. Brichst du Blumen, sei bescheiden,
nimm nicht gar so viele fort!
Sieh, die Blumen müssen's leiden,
doch sie zieren ihren Grt.
2. Nimm ein paar, und laß die andern
in dem Grase, an dem Strauch!
Andre, die vorüber wandern,
freu'n sich an den Blumen auch.
3. Nach dir kommt vielleicht ein müder
Wandrer, der des Weges zieht
trüben Sinns — der freut sich wieder,
wenn er auch ein Blümlein sieht.
Johannes Trojan.