Full text: Griechische und römische Sagen und Erzählungen, Deutsche Sagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Teil 1)

8. Kamillus. 
27 
Jünglinge waren bestimmt, das Standbild nach Rom zu führen. In 
weißen Kleidern gingen sie ehrfurchtsvoll in den Tempel und einer 
fragte: „Willst du mit nach Rom gehen, Juno?", und da soll die Göttin 
genickt haben. Sie bekam in Rom einen prächtigen Tempel. 
Gegen Kamillus aber waren die Römer undankbar. Sie verbannten 
ihn, und er bat voll Zorn gegen seine Vaterstadt die Götter, sie möchten 
seinen undankbaren Mitbürgern bald ein großes Unglück schicken, damit 
sie ihn recht vermißten. Und dieses Unglück kam über Rom. Von 
Norden kam ein wildes, kriegerisches Volk über die Alpen, die Gallier. 
Als die Gallier die Stadt Klusium belagerten, schickten die Klusiner nach 
Rom um Hilfe. Drei Gesandte gingen hin, um die Gallier zu warnen, 
Freunde und Bundesgenossen der Römer anzugreifen. Aber die Gallier 
griffen trotzdem die Klusiner an. Die drei Römer beteiligten sich an 
dem Kampfe, was sie als Gesandte nicht durften. Einer erschlug sogar 
einen vornehmen Gallier. Nun brachen diese den Kampf ab, machten 
mit Klusium Frieden und verlangten dann von Rom die Auslieferung 
der drei Männer. Da diese verweigert wurde, zogen sie gegen Rom. Die 
Römer hatten sich einen Kampf mit den Galliern gar nicht sehr gefährlich 
gedacht. Ihr Heer aber wurde an dem Flüßchen Allia völlig besiegt. 
So voll Furcht waren die Soldaten, daß nur wenige nach Rom zurück- 
flohen, die meisten zerstreuten sich in die umliegenden Städte. Die Gallier 
rückten nun gegen Rom vor. Wie wunderten sie sich, als ihnen gemeldet 
wurde, kein Tor sei geschlossen, kein Soldat auf den Mauern zu sehen. 
Die Römer hatten sich nämlich auf einen steilen Berg in der Stadt, 
das Kapitol, mit Weib und Kind geflüchtet. Die vornehmsten Greise 
aber, die früheren Konsuln und Ratsherren, erklärten, sie wollten, da sie 
das Vaterland nicht mehr verteidigen könnten, auch den Waffenfähigen 
ihre Lage nicht erschweren und setzten sich mit ihren Feierkleidern angetan 
auf ihre elfenbeinernen Sessel auf den Markt oder vor ihre Häuser. Die 
Gallier zogen in die menschenleere Stadt ein, mit Verwunderung sehen 
sie dort die unbeweglichen, ehrwürdigen Gestalten. Da wagt es ein Über- 
mutiger, er zupft einen an seinem langen weißen Barte. Der gerät in 
Zorn und schlägt ihm mit seinem elfenbeinernen Stabe über den Kopf. 
Nun merken die Feinde, daß es Menschen und nicht, wie sie wohl ge¬ 
dacht hatten, Götterstatuen sind und erschlagen alle. Rom wurde ver¬ 
brannt, und in den Trümmern lagerten die Gallier, die bald einen Sturm 
auf das Kapitol unternahmen. Der Angriff mißglückte völlig. Aber 
bald gingen auf der Burg die Nahrungsmittel aus, und ängstlich schauten 
die Belagerten aus, ob nicht bald Hilfe käme. Kamillus hatte sich nämlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.