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gesehen. „Komm mit mir!" sagte er. „Ich will dir etwas
Schönes 3eigcn; aber sei still und mache kein Geräusch!"
Er nahm ihn an die Hand und schritt ganz leise mit
ihm in das Zimmer der Mutter. — Da lag sie in ihrem
Bette, und dicht neben ihr, ganz in Deckchen und Spitzen
gehüllt, lag ein winziges, kleines Menschenkind mit rotem
Gesichtchen, fest zusammengeballten Fäustchen und einem gol¬
denen haarschöpfchen gerade über der Stirn. Die Mutter
winkte Karl zu sich heran. „Da ist der kleine Bruder, den
du dir gewünscht hast," sagte sie.
5. Karl wagte kaum recht hinzusehen. So hatte der
Engel seinen Wunsch also doch erhört! „willst du ihn auch
recht lieb haben und ihm immer ein gutes Beispiel geben?"
fragte die Mutter. Karl seufzte tief auf und berührte vor¬
sichtig mit einem Finger seiner braungebrannten Hand das
winzige Fäustchen seines Brüderchens. „Ja, Mutter," sagte
er, „das will ich. Und wenn ich wieder auf die wiese
laufe, dann sage ich dir's vorher, und meine Schiefertafel
will ich auch nicht mehr auf die Erde werfen." Die Mutter
küßte ihre Knaben, erst den großen, dann den kleinen, und
dann nahm der Vater den Karl wieder hinaus.
Ehe Karl sich aber zur Kühe legte, trat er noch ein¬
mal in den Garten, wie die Sterne flimmerten, und wie
hell der Mond schien! Er nickte ihnen glückselig zu. Jetzt
war auch er nicht mehr einsam, er hatte ja ein Brüderchen!
Helene Stökl.
26. Nun kommt einmal her!
1. Nun kommt einmal her, aber geht auf den Zeh'n,
und schaut in das Kettchen hinein!
Da ist etwas Allerliebstes zu sehn'n,
so zierlich, so niedlich, so klein!
2. Die Händchen so nett und das Köpfchen so fein —
o leise, daß es nicht erwacht!
Da liegt's in den Kissen, dar Schwesterlein klein»
das haben die Engel gebracht. Johannes Trojan.
Kühnr-Vorwerk, Vorschullesebuch I. 2. Llufl. 2