wohl seine eigenen Rechte behaupten möchte. Und hatte ich doch
auch im Meißner Dialekt manches zu hören, was sich auf dem Papier
nicht sonderlich würde ausgenommen haben.
Meine Empfehlungsbriefe halten mich in gute Häuser eingeführt,
5 deren verwandte Zirkel mich gleichfalls wohl aufnahmen. Da ich
aber bald empfinden mußte, daß die Gesellschaft gar manches an
mir auszusehen hatte, und ich, nachdem ich mich ihrem Sinne gemäß
gekleidet, ihr nun auch nach dem Munde reden sollte und dabei noch
deutlich sehen konnte, daß mir dagegen von alledem wenig geleistet
10 wurde, was ich mir von Unterricht und Sinnesförderung bei meinem
akademischen Aufenthalt versprochen hatte, so fing ich an, lässig zu
werden und die geselligen Pflichten der Besuche und sonstigen
Attentionen zu versäumen, und ich wäre noch früher aus allen solchen
Verhältnissen herausgetreten, hätte mich nicht an Hofrat Böhmen
ib Scheu und Achtung und an seine Gattin Zutrauen und Neigung
festgeknüpft. Der Gemahl hatte leider nicht die glückliche Gabe, mit
jungen Leuten umzugehen, sich ihr Vertrauen zu erwerben und sie
für den Augenblick nach Bedürfnis zu leiten. Seine Gattin dagegen
zeigte ein aufrichtiges Interesse an mir. Ihre Kränklichkeit hielt sie
so stets zu Hause. Sie lud mich manchen Abend zu sich und wußte
mich, der ich zwar gesittet war, aber doch eigentlich, was man Lebens¬
art nennt, nicht besaß, in manchen kleinen Äußerlichkeiten zurechtzu¬
führen und zu verbessern. Madame Böhme war eine gebildete Frau,
welcher das Unbedeutende, Schwache und Gemeine widerstand; sie
25 war noch überdies die Gattin eines Mannes, der mit der Poesie
überhaupt in Unfrieden lebte und dasjenige nicht gelten ließ, was
sie allenfalls noch gebilligt hätte. Nun hörte sie mir zwar einige
Zeit mit Geduld zu, wenn ich ihr Verse oder Prose von namhaften,
schon in gutem Ansehen stehenden Dichtern zu rezitieren mir heraus-
3o nahm — denn ich behielt nach wie vor alles auswendig, was mir
nur einigermaßen gefallen mochte —, allein ihre Nachgiebigkeit war
nicht von langer Dauer. Das erste, was sie mir ganz entsetzlich
heruntermachte, waren die „Poeten nach der Mode" von Weiße, welche
soeben mit großem Beifall öfter wiederholt wurden und mich ganz
35 besonders ergötzt hatten. Besah ich nun freilich die Sache näher, so
konnte ich ihr nicht Unrecht geben. Einige Male hatte ich auch gewagt,
ihr etwas von meinen eigenen Gedichten, jedoch anonym, vorzutragen,
denen es dann nicht besser erging als der übrigen Gesellschaft. Und
so waren mir in kurzer Zeit die schönen bunten Wiesen in den Gründen
4v des deutschen Parnasses, wo ich so gern lustwandelte, unbarmherzig