Türkenkrieg 1683 — 1699. Ungarn Erbreich.
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wurde mit unerhörten Foltern hingerichtet; eben so wurde jeder verfolgt, der
nicht unbedingt dem Hause Oesterreich huldigte oder sich die Jesuiten, welche
auch hier als eifrige Helfershelfer die Hand im Spiel hatten, zu guten
Freunden zu machen wußte, jeder, der für freisinnig, für einen Mann des
Volkes galt. Das uralte Recht der ungarischen Nation, sich selbst ihren
König durch freie Wahl 51t erheben, wurde mit Gewalt vernichtet, und
dafür das Erbrecht des Hauses Oesterreich auf die ungarische Krone ein¬
gesetzt, des Kaisers neunjähriger Sohn, Joseph, als Erbkönig von Ungarn
gekrönt.
Der Krieg gegen die Türken ging mittlerweile unter dem Oberbefehl
des Herzogs Karl von Lothringen fort, dann unter dem des Markgrafen
Ludwig von Baden, später unter dem Prinzen Eugen von Savoyen.
Dieser stammte aus einer Seitenlinie des Hauses Savoyen, war geboren zu
Paris 1663, und in seiner Jugend wegen seines schwächlichen Körpers zum
geistlichen Stande bestimmt gewesen. Ludwig XIV. hatte ihn wegen seiner
kleinen Gestalt spöttisch abgewiesen, als Eugen in dessen Kriegsdienst treten
wollte und ihn um ein Regiment bat. Da war Prinz Eugen in Kaisers
Dienst getreten, und blieb fortan Oesterreich unerschütterlich treu. In den
Türkenkriegen entfaltete er nun rasch seine glänzenden Feldherrntalente, seine
Umsicht und Klugheit in allen Anordnungen, seine Raschheit im Benutzen
des günstigen Augenblicks, eine durchgreifende Thätigkeit, den höchsten per¬
sönlichen Muth und eine erstaunliche Besonnenheit im tobenden Sturm der
Schlachten. Dabei liebte er seine Soldaten wie leibliche Kinder, litt lieber
selbst Hunger, als daß er sie Noch leiden ließ, und sorgte eifrig für alle
Kranken und Verwundeten. Dafür verehrten sie ihn auch wie einen Abgott.
Hochgebildet, mit außerordentlicher Kraft des Gedächtnisses ausgerüstet, ein
leidenschaftlicher Freund der Künste und Wissenschaften, war Eugen auch
untadelhaft von Charakter, dessen schönste Zierde die Bescheidenheit war.
Obwohl ein geborner Pariser, ist er doch recht eigentlich ein deutscher Mann
geworden, und hieß im Munde des deutschen Volkes bloß der „tapfre Rit¬
ter", wovon noch heutzutage das alte Volkslied Kunde gibt. Dieser „Prinz
Eugen, der tapfre Ritter," schlug die Türken (1697) bei Zenta, eroberte
die Festung Belgrad und bedrängte die Türken so furchtbar, daß sie endlich
(1699) zu Karlowitz mit dem Kaiser einen Frieden schließen mußten, worin
dieser die eroberten Landschaften in Ungarn, Slavonien und Sirmien behielt.
Zur selben Zeit kam auch das Land Siebenbürgen in 'den Verband der
österreichische'n Erbstaaten.
Als Ludwig XIV. die Nachricht von der Befreiung Wiens erhielt, zürnte
er heftig, weil er dadurch feine Pläne gegen Oesterreich vereitelt sah. Um
sich schadlos zu halten, bemächtigte er sich 1684 Luxemburgs, so wie des
Erzbisthums und der Stadt Trier. Auf Andringen mehrer Kurfürsten schlos¬
sen Kaiser und Reich mit ihm §it Regensburg einen Waffenstillstand, um
einstweilen ihre Macht ungeschwächt gegen die Türken brauchen zu können;
Frankreich behielt bis zu Abschluß eines förmlichen Friedens alle seine un¬
gerechten Eroberungen, machte sich aber verbindlich, im Umfang derselben
freie Religionsübung zu gestatten.
Doch solche Erfolge waren dem ländersüchtigen Ludwig XIV. nicht genug.
Mit Freuden ergriff er den ersten Anlaß, welcher sich ihm darbot, um seine
Eroberungspläne gegen Deutschland weiter zu verfolgen. Als nämlich im
Jahre 1685 der Kurfürst Karl von der Pfalz starb ttttb mit ihm der Zweig
Pfalz-Simmern des kurfürstlichen Hauses erlosch, fielen die Erbländer des¬