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Das verwünschte Bergwerk zu Wilhelmsdorf.
Frau leben, so wollt' ich gerne sterben!“ Wie sie das gesprochen
hatten, so krachte der Berg gewaltig und übermächtig und sprang
voneinander, da ging der Erste hin zu dem Ritz und schaute hinauf
und sah den blauen Himmel, und wie er sich am Tageslicht gefreut,
sank er augenblicklich tot nieder. Der Berg aber tat sich immer mehr
voneinander, also daß der Riß größer ward, da arbeiteten die beiden
andern fort, hackten sich Treppen, krochen hinauf und kamen endlich
heraus. Sie gingen nun fort in ihr Dorf und in ihre Häuser und
suchten ihre Weiber, aber die wollten sie nicht mehr kennen. Sie
sprachen: „Habt ihr denn keine Männer gehabt?“ „Ja“, antworteten
jene, „aber die sind schon sieben Jahre tot und liegen im Kuttenberg
begraben!“ Der Zweite sprach zu seiner Frau: „Ich bin dein Mann“,
aber sie wollt es nicht glauben, weil er den ellenlangen Bart hatte
und ganz unkenntlich war. Da sagte er: „Hol mir das Vartmesser, das
oben in dem Wandschrank liegen wird, und ein Stückchen Seife dazu.“
Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich, und als er
fertig war, sah sie, daß es ihr Mann war. Sie freute sich herzlich,
holte Essen und Trinken, so gut sie es hatte, decte den Tisch, und
sie seßten sich zusammen hin und aßen vergnügt miteinander. Wie
aber der Mann satt war und den letzten Bissen Brot gegessen hatte,
da fiel er um und war tot. Der dritte Bergmann wohnte ein ganzes
Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammen, als es herum
war, zu derselben Stunde aber, wo er aus dem Berg gekommen war,
fiel er und seine Frau mit ihm tot hin. Also hatte Gott ihre Wünsche
ihrer Frömmigkeit wegen erfüllt. Gebrüder Grimm, Deutsche Sagen.
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44. Das verwünschte Bergwerk zu Wilhelmsdorf.
Ein junger Bergmann hatte eine arme Mutter, welche schwer
an der Gicht litt; die pflegte der brave Sohn redlich, so oft er Zeit
fand, kochte ihr Suppe, wenn sie derselben bedurfte, trug sie von
einer Stelle zur andern und wich, wenn er von der Arbeit frei war,
nie von ihrer Seite. Als er nun eines Morgens nach der Grube zum
Bergbau gehen will, spricht die Mutter zu ihm:
„Hast du noch einen Augenblick Zeit, so trage mich in den
Garten hinaus, damit ich mich noch einmal der lieben Sonne freuen
und den blauen Gotteshimmel und die Frühlingsblumen schauen kann!“
Der treffliche Sohn besinnt sich nicht lange, nimmt die kranke
Mutter auf den Arm und trägt sie, wie sie es gewünscht, in den
Garten hinaus; dort macht er ein weiches Lager zurecht und legt sie
darauf. Obwohl er nun so schnell wie möglich läuft, kommt er doch