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Geschieht dies nicht, so veranstaltet sie eine Abstimmung der be—
teiligten Gewerbetreibenden. War der Antrag auf Gesellen und Lehr—
linge haltende Meister beschränkt, so haben nur diese das Stimm⸗
recht. Gezählt werden nur die Stimmen derer, die sich an der Ab—
stimmung beteiligen. Hat die Mehrheit den Beitrittszwang be—
schlossen, so tritt die Zwangsinnung nunmehr durch Verfügung der
Behörde ins Leben. Gleichzeitig werden die im Bezirk der neuen
Zwangsinnung für das gleiche Handwerk bestehenden freien Innungen
geschlossen. Waren diese Innungen für Angehörige mehrerer Ge—
schäftszweige gebildet, so bestehen sie zwar fort, es haben aber alle
nunmehr der Zwangsinnung angehörenden Mitglieder daraus auszu⸗
scheiden. Der Beitrittszwang kann statutarisch mit Genehmigung der
Behörde auch auf Handwerker in landwirtschaftlichen oder in größeren
gewerblichen Betrieben, wenn sie Gesellen oder Lehrlinge halten, und
auf Hausgewerbetreibende erstreckt werden. Freiwillig können der
Zwangsinnung auch Werkmeister, ehemalige Handwerksmeister,
alleinarbeitende Handwerker, mit Zustimmung der Innungsversamm—
lung auch Inhaber fabrikmäßiger Betriebe beitreten.
Die Zwangsinnung hat dieselben Aufgaben und Befugnisse wie
die freie Innung. Sie darf aber keine gemeinschaftlichen Betriebe
errichten, Vorschußkassen, gemeinsame Ein- und Verkaufsgeschäfte nur
bedingungsweise mit Zuschüssen unterstützen, auch darf sie keines ihrer
Mitglieder in der Preisfestsetzung für Waren oder Leistungen oder
in der Annahme von Kunden beschränken. Sie löst sich auf, wenn
ein Viertel der Mitglieder es beanträgt und drei Viertel der Innungs⸗
mitglieder in der Innungsversammlung dem zustimmen. Sie kann
aber auch ihren Bezirk oder den Kreis der zwangsangehörigen Mit—
glieder im Statut erweitern oder beschränken.
Die Innungsbeiträge sowie die statutengemäß verhängten Ord—
nungsstrafen werden auf Antrag des Innungsvorstandes gleich den
Gemeindeabgaben im Verwaltungswege eingezogen.
Die Innungen können sich innerhalb des Bezirks der gemeinsamen
Aufsichtsbehörde zu Innungsausschüssen und darüber hinaus zu In—
nungsverbänden vereinigen. Die Gemeinde- und die höheren staat⸗
lichen Verwaltungsbehörden üben weitgehende Aufsichtsrechte über
die Innungen aus, die sich bis zur Schließung der Innung, des
Innungsausschusses und des Innungsverbandes steigern können.
Georg Hoffmann und Ernst Groth, Deutsche Bürgerkunde.
164. Die Gewerbefreiheit.
Die allgemeine Regelung der gewerblichen Verhältnisse enthält
die für das ganze Reich (in Elsaß-Lothringen mit geringfügigen Ab—
weichungen) gültige Gewerbeordnung. Sie ist vielleicht am meisten
von allen Reichsgesetzen fortgesetzten und einschneidenden Anderungen
unterworfen gewesen. Erlassen durch Bundesgesetz vom 21. Juni