Kammer und Küche.
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10. Kakao.
1. Vor etwa fünfzig Jahren wußten die meisten Leute hier in Deutschland
noch nichts von Kakao. Schokolade galt als ganz besondere Delikatesse und
wurde in einfacheren Familien nur zu Geburtstagen und Festlichkeiten verabreicht.
Scharfsinnige Hausfrauen hatten herausgeklügelt, daß schwach geröstetes Mehl mit
Zimmt, Nelken und Zucker in Milch gekocht, „beinahe" wie Schokoladensufipe
schmecke und waren glücklich, ihren Kindern einen Vorschmack von der schönen Speise,
wie sie nur bemittelteren Seilten für den täglichen Genuß zugängig war, geben zu
können. Und ganz so unrecht hatten sie damit nicht, bestand doch das aus Paris
und Konstantinopel eingeführte Rakahont, ein von Kakaopulver, Stärkemehl und
Gewürz bereitetes stärkendes Nahrungsmittel für Kranke, ursprünglich auch nur
aus geröstetem Mehl einer kalifornischen Eichel und Gewürz; und alle die großen
und kleinen „wohlfeilen" Gewürzschokoladentafeln, die immerhin noch teuer genug
waren, hatten als Hauptbestandteil geröstetes Mehl.
Die Fälschungen gingen aber so weit, daß man außer allen möglichen Sorten
Mehles, auch Kreide-, Rotstein- und Ziegelsteinpulver sowie Ocker, Mennige, Gips
und Zinnober, selbst Erde und Sügespäne zur Schokoladenbereitung nahm. Zur
Nachahmung des nötigen Kakaoöls wurde allerhand Fett, Kokosnus- Oliven- und
süßes Mandelöl benutzt; sehr gangbar war eine Mischung von schlechtem Zucker
und Hammeltalg. So war es denn kein Wunder, daß die von dem Naturforscher
Linné gepriesene „Götterspeise" (Theobroma) in Deutschland als sehr magenverder¬
bend gefürchtet wurde. Gute, reine Schokolade, sowie der entölte Kakao, „Gesund¬
heitsschokolade" genannt, war und blieb teuer und mußte als Luxusgetränk be¬
trachtet werden. Aber dank der deutschen Kolonialbestrebungen und dadurch, daß
Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten ist, hat auch die Kakao¬
industrie im Deutschen Reiche in den letzten zwei Jahrzehnten des neunzehnten
Jahrhunderts sich außerordentlich entwickelt. Die erworbenen Kolonieen haben es
ermöglicht, daß der für die Ernährung so wertvolle Kakao zum Volksnahrungs¬
mittel wurde, ja zum Nationalgetrünk werden kann. Wird es doch schon in allen
Volksküchen und Volkstrinkhallen für wenige Pfennig verabreicht. Ohne Zucker
bereitet, durch seinen angenehm bittern Geschmack wird es, kalt und warm genossen,
ein würdiger Kämpfer gegen den Alkoholismus mit sein.
2. Die Einfuhr des Rohkakao, die im Jahre 1879 zwei Millionen Kilogramm
betrug, ist bis 1895 auf rund 10 Millionen gestiegen und hat seitdem das doppelte
Quantum erreicht.
Im Jahre 1886 bildete von der bei uns eingeführten Gesamtmenge des Kaffee,
Tee und Kakao der Kaffee 96°/«, der Tee 1,2 % und Kakao 2,8%, während zwölf
Jahre später der Kaffee nur noch 89 %, der Tee 2,1 %, der Kakao aber 8,9 % betrug.
Im Jahre 1865 wurde der Verbrauch an Tee auf den Kopf der Bevölkerung
'0,02 kg, an Kakao 0,03 kg, an Kaffee 1,87 kg festgestellt, im Jahre 1897 für
Tee und Kaffee das doppelte,Kakao Hingegendas neunfache. Wenn nun auch von
dem letzteren ein großer Teil auf die Fabrikation von Süßigkeiten und Näschereien
gerechnet werden muß, ist doch daraus ersichtlich, daß der Kakao am meisten ver¬
dient, in der Reihe unserer Aufgußgetränke die erste Stelle einzunehmen.
Der Kakao enthält einen Stoff, der in seiner Zusammensetzung und anregen¬
den, erfrischenden Wirkung dem Kaffe'in ähnlich ist und Theobromin genannt wird,
außerdem aber noch eine Menge blutbildender Nährstoffe, Pflanzeneiweiß und
Stärke; die Hälfte seines Gewichtes, also 50 Prozent, ist Fettstoff, der ihm der
besseren Verdaulichkeit wegen teilweise entzogen werden muß und seine Verwendung
in Konditoreien und Apotheken findet. Ein feines flüchtiges Ol, welches sich erst
durch Rösten, ähnlich wie bei Kaffee und Tee, entwickelt, verleiht dem Kakao den
so lieblichen, aromatischen Duft.
3. Schon seit undenklichen Zeiten bereiteten die alten Mexikaner ein Getränk
aus den gerösteten und zerstoßenen Früchten des Kakaobaumes, welches sie Choko-
lntl (spr. Tsch) nannten; „atle" d. i. Wasser. Die Kunde vom Kakaobaum wurde
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