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Ihr wollig Silberschäfchen flockt.
Nur Eiche ist noch kahl und wirr,
Ihr knickig Sparrwerk und Geschirr
45 Hält in dem äußersten Geäst
Ihr vorjährig Herbstlaub fest,
Fahlgrau, verfärbt, verschrumpft, zerknittert,
Zu zähem Leder schon verwittert.
Doch wenn auch sie die Knospen spaltet
so Und ihr gezacktes Blatt entfaltet,
Dann glänzt es in der Eichenkrone,
Als ob an jedem jungen Trieb
Mit grünlich gold’nem Farbentone
Ein Frührotschimmer haften blieb.
55 Und wo des Waldes Boden frei
Von welkem Laub und Nadelstreu,
Webt sich ein Teppich, Zoll bei Zoll.
Natur nimmt gern den Pinsel voll,
Schattiert und malt ihr Frühlingskleid
60 Und schmückt sich wie zum Tanz die Maid.
Wer in das junge Grün so schaut,
In dichtes Gras und duftig Kraut
Auf einsam stillem Waldespfad,
Dem ist’s wie ein erquickend Bad,
65 Darein er tief die Blicke taucht
Und hierhin läßt und dorthin schweifen,
Als wollt’ er, weil sein Herz sie braucht,
Die Farbe mit den Augen greifen.
Da find’t er, was er nicht gesucht,
70 Ein kleines, blaues Wunder lugt
Verstohlen aus dem Grün, ganz nah —
Ach! erstes Veilchen bist du da?
Gegrüßt, gegrüßt, o Violett,
In deinem weichen Kräuterbett!
75 Ja, blühe, fröhlich Märzenkind,
Und zürne nicht dem Dieb, dem Wind,
Der schmeichelnd, kosend dich umspielt
Und mit dem Duft, den er dir stiehlt,
Die holden Schwestern lockt hervor,
so Den ganzen bunten Blumenflor!
Hornköpfchen fängt den Reigen an
Mit Moschuskraut und Bärentraube,
Steinsame, blauer Gundermann
Und Purpurnessel dann, die taube,
85 Maiglöckchen, Himmelsschlüsselein,