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Deutsches Land und Volk/
staunte Welt eine kleine Maschine, getrieben durch eine Handkurbel, rastlos arbeiten
und mit unglaublicher Schnelligkeit aus zugerichteten Papierstücken vollendete Brief¬
umschläge herstellen. Dr. Sach, Deutsches Leben in der Vergangenheit.
165. Nie alten Zollschranken.
1. Es ist eine allbekannte Sache, daß unser deutsches Vaterland früher in un¬
gleich mehr Länder und Ländchen zerrissen war als jetzt, und daß zwischen jedem
Lande Zollschranken errichtet waren, die jedes Land vom anderen wirtschaftlich
trennten.
Da mochte man nun zu jener Zeit von Osten nach Süden oder von Westen
nach Osten reisen, man stieß zuweilen alle paar Stunden auf einen Schlagbaum.
Bei jedem Schlagbaum befand sich ein Zollhaus und vor jedem Zollhaus stand ein
Zollwächter. Diese Tag und Nacht strenge Wache haltenden Beamten fragten
jeden Reisenden, ob er „etwas Zollbares" bei sich habe; nach Befinden durchsuchten
sie das Gepäck oder gar die Taschen desselben nach zollbaren Waren oder Sachen.
Schöpften die Zollbeamten Verdacht, so schleppten sie ihre Opfer mit ins Zollhaus,
wo sie gründlich untersucht wurden. Fand man etwas Zollpflichtiges, was der
Reisende verschwiegen hatte, so wurde die eingeschmuggelte Ware „kontreband" ge¬
macht, d. h. sie wurde dem Besitzer als eingeschmuggelt weggenommen. Außerdem
mußte der letztere noch tüchtige Strafgelder bezahlen. Besonders gründlich wurden
die Wagen untersucht, selbst Kutschwagen waren nicht ausgeschlossen.
Um die Zollplackereien, die damals in Deutschland herrschten, recht deutlich
zu machen, will ich eine Geschichte erzählen:
2. Ein Professor aus Thüringen reiste zur Ferienzeit des Jahres 1821 mit
seiner Gattin nach Bremen, wo sie Verwandte besuchen wollten. Sie hatten sich
ein Lohngeschirr gemietet und fuhren damit in der schonen Sommerzeit nach Nord-
deutschland.
In Bremen hörte die Professorin, wie außerordentlich billig die Kolonial¬
waren zu erstehen waren, und konnte der Versuchung nicht widerstehen, ein Säck¬
chen Kaffee dort zu kaufen. Dieser Handel war geschlossen worden als der Pro¬
fessor gerade nicht zugegen war. Als dieser aber von dem Säckchen Kaffee hörte,
welches, im Wagen versteckt, heimlich mit über die Grenzen genommen werden
sollte, so war er darüber sehr ungehalten und verlangte, daß der Handel rückgängig
gemacht werde. Die Frau Professorin versprach dies endlich, um ihren Gatten zu
beruhigen.
Ohne Sorgen bestieg daher der Herr Professor seinen Kutschwagen, um seine
Heimreise wieder anzutreten, auch die Frau Professorin nahm in fröhlichster Stim¬
mung im Wagen Platz, und die Reise ging fort.
Da der Herr Professor in Göttingen einen Kollegen hatte, mit dem er be¬
freundet war, so wurde diese berühmte Universitätsstadt zum Reiseziel gemacht.
Nach einigen Stunden standen die Reisenden an der hannöverschen Grenze
vor einem Zollhause. Ein Beamter trat an den Wagenschlag und fragte: „Haben
die Herrschaften etwas Zollbares?- Der Herr Professor sprach mit Gewissensruhe
„Nein!" während die Frau Professorin leicht errötete. „Ich muß Sie bitten aus¬
zusteigen, der Wagen muß untersucht werden", begann der Beamte wieder.
Willig stiegen die Insassen aus, der Beamte in den Wagen, aber ebenso
schnell wieder heraus. „Es war dies meine Pflicht", sagte der höfliche Hannove¬
raner; „reisen Sie glücklich", fügte er hinzu. Ohne Anstand ging die Reise weiter.
Andern Tages standen die Reisenden vor einem Schlagbaum von Bückeburg. Dort
spielte sich eine ähnliche Untersuchung ab, die ebenso glücklich ablief. Mit unend¬
licher Seelenruhe stieg der Herr Professor wieder zu Wagen, während um die
Lippen der Frau Professorin ein triumphierendes Lächeln spielte.
3. Es dauerte nicht zwei Stunden, so hielten die Reisenden vor einem Zoll-
hause von Lippe-Detmold. Der herantretende Zollwüchter machte ein höllisch