Deutsches Land und Volk.
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toste es, als wären wir von gewaltigen Wasserfällen umgeben, und ein ums an¬
dere Mal hallten schauerliche Pfiffe. Wir reisten unter der Erde. Der Pate hielt
die Hände auf dem Schoß gefaltet und hauchte: „Jetzt geb' ich mich in alles drein.
Warum bin ich der dreidoppelte Narr gewesen".
Zehn Vaterunser lang mochten wir so begraben gewesen sein, da lichtete es
sich wieder, draußen flog die Mauer, flogen die Telegraphenstangen und die Bäume,
und wir fuhren im grünen Tale. Mein Pate stieß mich an der Seite: „Du,
Bub'! Das ist gar aus der Weis' gewesen, aber jetzt — jetzt hebt's mir an 3»
gefallen. Richtig wahr, der Dampfwagen ist_ was Schönes! Jerum, das ist ja
schon das Spitalerdorf! Und wir sind erst eine Viertelstunde gefahren! Du, da
haben wir unser Geld noch nicht abgesessen. Ich denk', Bub', wir bleiben noch
sitzen". Mir war's recht. Ich betrachtete das Zeug von innen, und ich blickte in
die fliegende Gegend hinaus, konnte aber nicht klug werden. Und mein Pate rief:
„Na, Bub', die Leut' sind gescheit! Und daheim werden sie Augen machen! Hätt'
ich das Geld dazu, ich ließe mich, wie ich jetzt sitz', auf unseren Berg hinauffahren!"
„Mürzzuschlag!" rief der Schaffner. Der Wagen stand; wir schwindelten zur Tür
hinaus. Der Türsteher nahm uns die Papierschnitzel ab, die wir beim Einsteigen
bekommen hatten, und vertrat uns den Ausgang. „He, Vetter!" rief er, „diese
Karten galten nur bis Spital. Da heißt's nachzahlen und zwar das Doppelte für
zwei Personen; macht einen Gulden sechs Kreuzer!"
Ich starrte meinen Paten an, mein Pate mich. „Bub'", sagte dieser endlich
mit sehr umflorter Stimme, „hast du ein Geld bei dir?" „Ich hab' kein Geld
bei mir", schluchzte ich. „Ich hab' auch keins mehr", murmelte der Jochem.
4. Wir wurden in eine Kanzlei geschoben, dort mußten wir unsere Taschen um¬
kehren. Ein blaues Sacktuch, das für uns beide war und das die Herren nicht
anrührten, ein hart Rindlein Brot, eine rassige Tabakspfeife, ein Taschenfeitel,
etwas Schwamm und Feuerstein, der lederne Geldbeutel endlich, in dem sich nichts
befand als ein geweihtes Messing-Amuletchen, das der Pate stets mit sich trug im
festen Glauben, daß sein Geld nicht ganz ausgehe, solange er das geweihte Ding
in der Tasche habe. Es hatte sich auch bewährt bis auf diesen Tag — und jetzt
war's auf einmal aus mit seiner Kraft. — Wir durften unsere Habseligkeiten zwar
wieder einstecken, wurden aber stundenlang auf dem Bahnhöfe zurückbehalten und
mußten mehrere Verhöre bestehen.
Endlich, als schon der Tag zur Neige ging, zur Zeit, da nach so rascher
Fahrt wir leicht schon Hütten zu Hause sein können, wurden wir entlassen, um nun
den Weg iiber Berg und Tal in stockfinstrer Nacht zurückzulegen.
Als wir durch den Ausgang des Bahnhofes schlichen, murmelte meine Pate:
„Beim Dampfwagen da — 's doch der Teufel dabei!"
Rosegger, Als ich noch der Waldbaurnbub war.
168. Süd und Nord in Deutschland.
1. Der Naturforscher Leopold von Buch pflegte scherzend zu sagen, Süd¬
deutschland beginnt dort, wo man den Wein nicht mehr aus Kelch-, sondern aus
Schoppengläsern. trinke. Er wollte damit sagen, daß es keine Naturgrenze gebe,
die eine Zerstückelung des Reiches begünstigen könne. Zwar gibt es in Deutsch¬
land selbst eine Naturgrenze, aber nicht zwischen Nord und Süd, sondern zwischen
den Tiefen und Höhen, zwischen Nieder- und Oberdeutschland, zwischen den Räumen,
die sich nirgends bis zu 300 m erheben, und solchen, die über 300 m liegen. Mit
dieser Grenze, welche Mitteldeutschland trennt von den Küstenniederungen, fällt so
ziemlich auch der Unterschied der Sprache des Oberdeutschen und des Plattdeutschen
zusammen. Die Ober- oder Hochdeutschen zerfallen in vier Hauptstümme: Schwaben,
Bayern, Franken und Thüringer.
Die Schwaben sitzen zwischen Alpen, Wasgau und Lech, nördlich bis an den
mittleren Neckar. Zu ihnen gehören die Alemannen, welche in der Oberrheinischen
Tiefebene wohnen. Die Bayern wohnen im Donaugebiet vom Lech bis zur Leitha.