Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen

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dieses furchtbare Hindernis zu überwinden, so waren die Mühen und Opfer 
eines solchen Unternehmens nicht dazu angetan, andere zu demselben Wagnis 
zu ermuntern. 
Erst als die Römer ihrerseits Schritt für Schritt in die unwegsainen 
Alpentäler vordrangen, legten sie auch hier wie überall ihre Heerstraßen 
an, und bald führten gangbare Wege über den Großen St. Bernhard, den 
Splügen und andere Pässe hinüber nach Gallien und Germanien. Wenn 
diese Straßen auch mit bem Römerreiche wieder verfielen, so baute doch 
auf ihren Trümmern das Mittelalter seine dürftigen Saumwege, auf denen 
die mit Waren aller Art beladenen Maultiere und Saumrosse in langen 
Reihen zur Paßhöhe hinanzogen. Hier tauschten die Treiber ihre Ladungen 
aus und kehrten dann wieder in ihre Heimat zurück. Bon dieser auf so 
steilen Pfaden allein möglichen Art. der Beförderung von Lasten oder 
Säumen" haben daher die Wege ihren Namen, nicht etwa, weil sie am 
Saum der Berge hinführen. 
Viele Jahrhunderte lang blieben diese nur im Sommer gangbaren, 
schmalen Pfade die einzigen Verbindungswege über die Alpen. Erst im 
18. Jahrhundert wurden zwei davon in fahrbare Straßen umgewandelt, 
der uralte Weg über den Brenner und der über den Semmering; aber 
erst dein 19. Jahrhundert war es vorbehalten, durch bcn Bau gewaltiger 
Kunststraßen die zahlreichen Schwierigkeiten und Gefahren eines Alpenüber¬ 
ganges zu beseitigen oder wenigstens zu vermindern. Das kühne Beispiel 
zu diesen großartigen Anlagen gab Napoleon I. durch den Bau der Simplon- 
straße in den Jahren 1801 — 1806, und seitdem haben die beteiligten 
Staaten, die Schweiz, Österreich, Italien und Frankreich, staunenswerte 
Wegbauten ausgeführt, so daß es jetzt schon ein Biertelhundert breiter 
Alpenstraßen gibt, die dem Durchgangsverkehr über die Pässe dienen und 
jederzeit mit Wagen befahren werden können. 
Alle diese künstlich angelegten Alpenstraßen stiegen dem Lauf der Flüsse 
entgegen, so die über den St. Gotthard dem Laufe der Renß und des 
Tessin, die über das Stilfser Joch dem Laufe der Etsch uub der Adda. 
Anfangs ist die Steigung noch gering, die Richtung gerade; je weiter aber 
die Straße in das Gebirge eindringt, je lebendiger der Lauf des ihr ent¬ 
gegenkommenden Gewässers tvird, um so mehr weichen Richtung und Steigung 
ab. Bald nötigen enge Felsschluchten zu schwierigen Bauten, hochgewölbten 
Brücken und durchbrochenen Felsentoren; gewundene Zickzackwcge beginnen, 
und die Steigung wächst. Die Kehren, durch die sich die Straße an der 
Felswand emporwindet, sehen von der Tiefe wie übereinander errichtete 
Festungswerke aus. Solcher Windungen zählt die Gotthardstraße an der 
Südseite zwischen Airolo und deni Hospiz nicht weniger als 46. An 
anderen Stellen zwingt ein tief eingeschnittencs Seitental zu einem weiten 
Umweg. Schlinnner aber sind die Plätze, wo sich im Winter und Früh- 
jahr die Schneemassen von den steilen Hängen lösen und als donnernde 
Lawinen quer über die Straße weg in die Tiefe stürzen. Hier muß sie 
sich entweder ganz in das Innere des Berges flüchten, den sie in einen: 
Tunnel oder in langen Gängen mit fensterartigen Öffnungen an der Seite 
durchschneidet, oder sie wird durch künstlich ausgemauerte Wände und Dächer.
	        
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