C. Vas Tagewerk auf der Flur. 
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Garten über ihre Tabakbeete- gilt es doch, die rupfenden Sperlinge, 
die scharrenden Hühner und die wühlenden Maulwürfe davon abzu¬ 
halten. Immer mehr gedeihen die Pflänzchen. Anfangs Juni haben 
sie die Größe eines Fingers erreicht. Nun ist der Augenblick gekommen, 
daß sie in das Feld gepflanzt werden, haben die Pflanzen schon im 
Garten die nahrungsreichsten Beete erhalten, so wird auch im Felde 
der fetteste, am besten vorbereitete Acker für sie ausgesucht. In kleinen 
Abständen, ähnlich wie bei den Runkelrüben, werden sie in den Boden 
gepflanzt. Am liebsten „setzt" man den Tabak an warmen Tagen, 
denen schon ein warmer, nicht allzu heftiger Gewitterregen voran¬ 
gegangen ist oder doch bald folgt. Roch einige Tage lassen die 
Pflanzen traurig die Blättchen hängen, als zehre das Heimweh nach 
dem Bauerngarten an ihnen, aber unter dem Einflüsse der wärmen¬ 
den Sonne, der erquickenden Tau- und Regentropfen vergessen sie 
bald ihr Leid und beginnen nun frisch und fröhlich weiter zu wachsen. 
„Sie sind angegangen" sagt der Landmann. Rach einigen Wochen 
werden die handgroßen pflanzen gehackt, d. h. die Ackererde ringsum 
gelockert, um Licht und Luft besser eindringen zu lassen. So ist 
allmählich aus dem Steckling eine stattliche, armlange, mit fünf bis 
acht breiten Blättern geschmückte Pflanze geworden. In der Spitze 
wiegt sich eine gelbe Blumenkrone, die den Bienen süßen Honig 
bietet. Um aber möglichst große, breite Blätter zu erhalten, „köpft" 
man die Blumenkrone. Auch zwischen den Achseln der Blätter sprossen 
auf Stielen sitzende Blüten, „Geiz" genannt. Auch diese werden 
entfernt oder „gegeizt". Nur einige Blütentrauben läßt man reifen, 
um fürs künftige Jahr neuen Samen zu erlangen. Ränigliche Beamte 
kommen und messen die Fläche des Ackers, um danach Gewicht und 
Steuer zu berechnen. Im August ist der meterlange Tabak ausge¬ 
wachsen. Zehn bis zwölf große Blätter sind der wertvolle Schmuck 
der Pflanze. Die unteren „Sandblätter" beginnen schon zu gelben, 
wehe, wenn jetzt ein Hagelwetter das Tal durchtobt: In Fetzen zer¬ 
rissen hängen dann die Blätter am Stengel, und Mühe, Arbeit und 
Hoffnung sind vernichtet. Da auch schon leichte Rachtfröste durch die 
Flur ziehen, beginnt die Tabakernte, vorsichtig geht die Bäuerin 
von Pflanze zu Pflanze und bricht die Blätter ab. Mühevoll ist diese 
Arbeit. Die entblätterten Stengel werden abgehauen und unter¬ 
geackert. Aber im „Hauseren" des Bauernhauses entwickelt sich 
abends ein emsiges Leben. Tin hochaufgeschichteter Berg von Tabak¬ 
blättern liegt in der Mitte. Ringsum sitzt die ganze Familie und 
schnürt die Blätter an meterlange Bindfäden mittels großer Stahl¬ 
nadeln an. Solch eine volle Schnur heißt „Bendelier". Rachbarn, 
die keinen Tabak bauen, sind als eifrige Helfer herbeigeeilt. Alte, 
hessische Volksweisen Hallen in die Rächt hinein, denn Gesang würzt 
und fördert die Arbeit. Die Bendeliere werden an einem luftigen 
Drt, Giebel und wände der Häuser, zum Trocknen aufgehängt. Linen 
prächtigen Anblick bietet solch ein geschmücktes Haus, von unzäh¬ 
ligen Girlanden scheint es behängen. Unter dem Einfluß von Sonne
	        
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