Worte der Königin. Dem König stürzten die Tränen aus den
Augen, als er in das von Leichenblässe beschattete Gesicht
15 seiner geliebten Gemahlin schaute. ,,Bin ich denn so gefährlich
krank?“ fragte sie. Er suchte sie zu beschwichtigen: „Ich habe
die besten Hoffnungen und weine ja nur, weil ich dich so leiden
sehe.“ — „Und wer ist mit dir gekommen ?“ — „Fritz und Wil¬
helm.“ — „Ach Gott, welche Freude!“ Sogleich führte der Vater
20 die Kinder an das Sterbebett der teuren Mutter. „Ach Fritz, ach
lieber Wilhelm, seid ihr da?“ ruft sie aus, und weinend stürzen
beide an das Bett der Mutter nieder. Ein wiederkehrender
heftiger Brustkrampf der Mutter setzt sie in Schrecken. Sie
gehen auf den Wink des Vaters in den Garten.
25 Schwer und schwerer wird der Atem der Kranken. „Luft
— Luft!“ seufzt sie. Qualvolle Minuten vergehen. Da beugt
die Kranke plötzlich das Haupt zurück und blickt flehend zum
Himmel empor. „Herr Jesu, mach es kurz!“ lauten ihre letzten
Worte, dann ist sie verschieden.
30 Vom Schmerz übermannt, war der König zu Boden ge¬
sunken und raffte sich erst nach geraumer Zeit empor, um der
teuren Entschlafnen die Augen zuzudrücken. Dann nimmt
der königliche Vater seine Söhne bei der Hand und führt sie
an das stille Lager der verschiedenen Mutter. Sie fallen auf
35die Knie, falten die Hände und weinen heiße Tränen. Prinz
Wilhelm schleicht darauf still in den Garten und windet aus
Eichenlaub und Rosen einen Kranz. Als dies Liebeszeichen
fertig ist, kehrt er zurück und legt den Kranz auf das
Sterbelager der Mutter nieder. Dieser Kranz, jetzt dürr und
40 vergilbt, wird noch heute im Sterbezimmer der Königin Luise
aufbewahrt.
Nach Wille.
207. Vaterlandsliebe.
Hls die Franzosen im Jahre 1809 auf Wien zu marschierten,
sollte ein Bauer einer Truppenabteilung, mit der man durch
einen Nachtmarsch einen wichtigen Plan auszuführen gedachte,
als Wegweiser dienen. Der Bauer aber weigerte sich. Heftig
5 drang der französische Offizier in ihn; der Bauer blieb ruhig
bei seiner Weigerung. Der Offizier fing nun an, ihn mit Ver¬
sprechungen zu bestürmen, und bot ihm endlich seine reich
mit Gold gefüllte Börse an; aber alles vergebens.