174 N. Susanna Reisacher.
der Unglücklichen, welche von den Wogen des gewaltigen Stromes mitten
auf dem Thalweg desselben herumgetrieben wurden. Sie rief um Hilfe;
aber ihre Stimme verhallte. Es war sonst niemand in derselben Ge⸗
gend als die Ehefrau des Fahrwirts, Magdalena Schneider. Das Herz
des Mägdleins brannte. Eiligst holt sie zwei Ruder, giebt eines der
Wirtin und fordert sie auf, mit ihr auf dem Fahrschiffe den in Todes⸗
not schwebenden Männern zu Hilfe zu kommen. Die Wirtin zagt; sie
seien beide des Fahrens unkundig, sie seien bei dem hohen, stürmischen
Rhein verloren. Susanna springt dem Fahrschiff zu, macht die Ketten
los und will das gefahrvolle Werk allein bestehen. Aber wie sind die
Arme des Kindes so schwach! Es vermag nicht einmal das Schiff vom
Ufer abzustoßen. Inständig bittet es die Wirtin darum. Diese wendet
alles an, das kühne Mägdlein zurückzuhalten; aber vergebens. Da giebt
die Wirtin dem Schiff einen Stoß, befiehlt das Kind dem Schutze
Gottes und eilt dem Dorfe zu, um Hilfe nachzusenden.
3. Schon waren die beiden Münner, Georg und Martin Bitsch, jener
verheiratet, dieser ledig, an der Rheinfahrt vorbeigetrieben, als das
tapfere Kind, sich selbst vergessend, das Herz auf die Elenden und den
Herrn gerichtet, durch die furchtbare Strömung des Thalwegs bis mitten
auf den Rhein sich Bahn machte und mit Aufbietung aller Kräfte das
Ziel zu erreichen strebte. Von einem Strahl der Hoffnung durchdrungen
sahen die Verunglückten das Schiff mit der kleinen Susanua nachkommen,
und ie, ermutigten sich durch gegenseitiges Zurufen.
Aber der entgegengesetzte Wind ist so heftig, des Mägdleins
kämpsende Arme werden so matt, das rettende Schiff will nicht nahe
kommen. Es wurde von dem Sturm und den aufsteigenden Wellen
umhergeworfen, und seine Führerin war selbst in der augenscheinlichsten
Lebensgefahr. Das erkannte Martin Bitsch und wußte, daß mit des
Mägdleins Untergang auch jede Hoffnung zu seiner und seines Unglücks⸗
genossen Rettung verschwinden müßte. Da glaubte er das einzige
Rettungsmittel für alle drei noch daxin zu finden, wenn er das Schiff
durch Schwimmen erreichen und die Führung desselben übernehmen
könnte. Zwar war er nicht geübt im Schwimmen, doch auch nicht
gänzlich unerfahren darin, und so ruft er dem Mägdlein, es solle jeht
tapfer zufahren, er komme ihm entgegen, und wirft sich in die Flut.
Mit frischem Mut und erneuter Anstrengung treibt das edle Kind dem
Schwimmenden zu. Sie erreichen einander; Martin schwingt sich in das
Schiff und ruft der freudigen Susanna zu: „Jetzt wollen wir auch den
andern holen.“ Mit kräftigem Arm steuert er dem Gefährten nach, der