2922
Reiche dieselbe Fürsorge und Pflege zuzuwenden, welche Wir in Preußen zur
Fortbildung der von Unserem in Gon ruhenden Vater im Anfange dieses
Jahrhunderts begründeten Verbesserungen zu bethätigen suchen Wi haben
Uns diese Pflicht besonders gegenwärtig gehalten seit dem Erlasse des Sozialisten⸗
gesetzes und schon damals Ünsere Überzeugung kundgegeben, daß die Gesetz⸗
gebung sich nicht auf polizeiliche und strafrechtliche Maßregeln zur Unterdrückung
und Abwehr staatsgefährlicher Umtriebe beschränken darf, sondern suchen muß,
zur Heilung oder doch zur Minderung des durch Strafgesetze beküämpften Übels
Verbesserungen einzuführen, welche dem Wohle der Arbeiter förderlich und die
10 Lage derselben zu bessern und zu sichern geeignet sind.
Wir haben dieser Überzeugung insbesondere in Unserer Botschaft vom
17. November 1881 Ausdruck gegeben und Uns gefreut, als einen ersten Er⸗
folg Unserer Sorgen und Bestrebungen in dieser Richtung in Unserem König—
reich Preußen wenigstens die beiden ersten Stufen der Klassensteuerpflichtigen
15 von dieser Abgabe an den Staat befreien zu können.
Dankbar für die einmütige Unterstützung Unserer hohen Verbündeten,
dankbar für die hingebende Arbeit Unserer Behörden, sehen Wir auch auf dem
Gebiete der Reichsgesetzgebung den Anfang des Verbesserungswerkes soweit
gediehen, daß dem Reichstage beim Beginne der jetzigen Sitzung der Entwurf
20 eines Gesetzes über Versicherung der Abeiler gegen Betriebsunfälle in neuer,
mit Rücksicht auf die früheren Verhandlungen umgearbeiteten Fassung vorgelegt
und ergänzt werden konnte durch einen Gesetzentwurf zur Einrichtung des ge⸗
werblichen Krankenkassenwesens.
Seitdem haben Wir, den Verhandlungen des Reichstages über diese Vor⸗
25 lagen mit besonderer Aufmerksamkeit folgend und zu jeder möglichen Erleich⸗
terung derselben gern die Hand bietend, an dem Wunsche wie an der Hoff—
nung festgehalten, daß diese Sitzung des Reichstages nicht zu Ende gehen werde,
ohne daß jene Vorlagen zur Annahme gelangten.
Wir haben auch mit Anerkennung und Befriedigung gesehen, wie die
80 ernste Arbeit, welche der Beratung des Krankenkassengefetzes gewidmet worden
ist, diesen Teil der Gesamtaufgabe bereits soweit gefördert hat, daß in Bezug
auf ihn die Erfüllung Unserer Erwartungen kaum mehr zweifelhaft erscheint.
Mit Sorge aber erfüllt es Uns, daß die grundsätzlich wichtigere Vorlage
über die Unfallversicherung bisher nicht weiter gefördert worden ist, und daß
daher auf deren baldige Durchberatung nicht mit gleicher Sicherheit gerechnet
werden kann. Bliebe diese Vorlage jetzt unerledigt, so würde auch die Hoff⸗—
nung, daß in der nächsten Sitzung weilere Vorlagen wegen der Alters⸗— und
Invalidenversorgung zur gesetzlichen Verabschiedung gebracht werden könnten,
völlig schwinden.
Die dazu erforderliche Zeit ist eine lange für die Empfindungen, mit
welchen Wir in Unserem Lebensalter auf die Größe der Aufgaben blicken,
welche zu lösen sind, ehe Unsere in der Botschaft vom 17. November 1881
ausgesprochenen Absichten eine praktische Bethätigung auch nur soweit erhalten,
daß sie bei den Beteiligten volles Verständnis und infolge dessen auch volles
4G5 Vertrauen finden.
Unsere Kaiserlichen Pflichten gebieten Uns aber, kein in Unserer Macht
stehendes Mittel zu versäumen, um die Besserung der Lage der Arbeiter und