— 275 —
verlassen suchte er jetzt nach Amerika zu entkommen, wurde aber
in Rochefort durch die dort kreuzenden englischen Kriegsschiffe ver-
hindert. Aus Furcht, den Bonrbonen ausgeliefert zu werden, er-
gab er sich seinem Erzfeind, den er in seiner ganzen Herrscherzeit *
mit tödtlichem Hasse verfolgt hatte, und gieng am 15. Juli an
Bord des Bellerophon, auf den Schutz und die Großmuth Eng¬
lands vertrauend. Aber in Folge eines Vertrags der Verbündeten
wurde er als Gefangener Europas nach der Insel St. Helena
mitten im atlantischen Ocean abgeführt. Am 16. Oktober 1815
landete daselbst der Gebieter eines Welttheils, als General Bona-
parte, einzig begleitet von General Bertrand, Gras Montholon und
noch wenigen Getreuen. In strenger Hast, verlassen vom Glanz
der Welt, blieb er unbeugsam standhaft und fühlte sich auch jetzt
noch als Kaiser. Aber die unfreiwillige Ruhe eines beschaulichen
Lebens stimmten in seinem Gemüthe auch zartere Töne an. Einer¬
seits sich selbst bewußt, wie Großes er für die Belebung der Künste
und Wissenschaften, für Beförderung der Gewerbe, für Verbesserung
der Gesetze gethan hatte — mit meinem Gesetzbuch in der Hand
werde ich aus die Nachwelt übergehen, sagte er — wurde er
andererseits beunruhigt durch den Gedanken an die vielen Menschen,
die seinem Ehrgeize als Opser gefallen waren. Am 5. Mai 1821
beschloß der große Geist des Jahrhunderts sein durch die härtesten
Wechsel des Schicksals getrübtes Leben, im 51. Jahre seines Alters,
trotz seiner unersättlichen Selbstsucht, die ihn bis zum Despotismus
trieb, angestaunt von der Mit- und Nachwelt in seiner Größe.
Seine Asche wurde 1840 uuter der Regierung des Königs Ludwig
Philipp uach Paris gebracht und in der Jnvalidenkirche beigesetzt
Mit Napoleon siel dessen Schwager Murat, König von Neapel.
Dieser hatte sich nach Napoleons Verweisung aus die Insel Elba
an Oesterreich angeschlossen, war aber auf die erste Kunde von
dem geglückten Einfall Napoleons in Frankreich mit erneut Heere
gegen deu Po vorgerückt. Hier wurde er von den Oesterreichern
zurückgeschlagen, und sein Heer löste sich bald auf. Murat flüch-
tete sich nach Frankreich, Neapel wurde au den Bonrbonen Ferdi-
nand IV. zurückgegeben, und als Murat einen Einfall in Ealabrien
machte, um feine Herrschaft wieder zu erobern, wurde er gefangen
und am 13. Oktober 1815 erschossen.
Nach der Schlacht von Waterloo setzten die Verbündeten ihren
Marsch gegen Paris sort und zogen schon am 7. Juli 1815 zum
zweiten Mal in Paris ein. Ludwig XVIll. kehrte auf den fran-
zösischen Thron zurück, und am 20. November wurde der zweite
Pariser Friede unterzeichnet. Frankreich wurde auf die Greuze
von 1790 zurückgeführt, mußte alles Land bis an die Lauter zu-
rückgeben, 700 Millionen Franken Entschädigung für Kriegskosten
18*