Full text: Deutsches Lesebuch für die lateinische Schule und die beiden unteren Kurse des Realgymnasiums

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ja,“ erwiderte er stolz, „singen und spielen kann ich nicht; aber 
eine kleine Stadt groß und berühmt zu machen, die Kunst meine 
ich zu verstehen.“ Mit seltener Beharrlichkeit eignete er sich alle 
Kenntnisse an, die der Redner, der Staatsmann und der Feldherr 
nötig hat, und bald war er der Mann, der überall die rechten 
Mitlel und Maßregeln angeben und mit klarer, gewinnender Rede 
annehmbar darzustellen wußte. 
Nach der Schlacht von Marathon, an der er teil genommen 
hatte, schien er in tiefe Schwermut zu verfallen. Einem Freunde, 
der ihn deshalb befragte, antwortete er: „Die Siegesehren des 
Miltiades lassen mich nicht schlafen.“ Bald aber fand er Mittel, 
diesen seinen Vorgänger noch zu übertreffen. Er lenkte nämlich die 
Aufmerksamkeit des Volkes auf Vermehrung der Schiffe. Auf seinen 
Rat wurden die Einkünfte der Bergwerke von Laurium zur Erbau— 
ung einer Flotte verwendet. So bereitete er Athen vor, dem großen 
Perserheere die Spitze zu bieten und bald auch den Vorrang in 
Griechenland zu gewinnen. Wägner. 
17. Perikles. 
Perikles? war der Sohn des Xanthippus, der in der Schlacht 
bei Mykales die Athener zum Siege gegen die Perser führte. Die 
äußere Körperbildung des Perikles war untadelig mit Ausnahme 
des Kopfes, der sich durch eine ungewöhnliche Länge auszeichnete. 
Daher stellten ihn in der Folge die Künstler in ihren Bildnissen 
mit einem Helm bekleidet dar; die attischen Dichter aber nannten 
ihn spottweise den Meerzwiebelkopf. 
Unter seinen Lehrern war er am meisten dem Philosophen 
Anaxagoras ergeben, den er auch späterhin als seinen Freund 
verehrte und in seinem Hause behielt. Als jedoch Perikles einst, 
von Staatsgeschäften überhäuft, den greisen Mann vernachlässigte, 
beschloß dieser aus Gram über die Zurücksetzung sich durch Hunger 
zu töten. Kaum hatte dies Perikles gehört, als er zu dem Philo— 
sophen eilte und ihn bat, sein Vorhaben aufzugeben und den Staat 
nicht eines so trefflichen Ratgebers zu berauben. Da enthüllte 
Anaxagoras sein Gesicht und sägte: „O Perikles, wer eine Leuchte 
braucht, gießt Ol darauf!“s Der Umgang mit diesem Manne und 
seine Unlerhaltung über die erhabensten Erscheinungen der Natur 
hatten auf Perikles den bedeutendsten Einfluß. Ihm verdankte er 
jenen ehrfurchtgebietenden Sinn und jene Erhabenheit der Sprache, 
die ihren Eindruck auf die Zuhörer nie verfehlte. Auf seinem 
Antlitze ruhte ein feierlicher Ernst, der sich nie zum Lachen hin— 
reißen ließ; sein Gang war langsam und gemessen; auf der Redner— 
1Wie ist der Ausdruck einem die Spitze bieten zu erklären? »Geb. 
zu Athen, gest. 429 v. Chr., ein Opfer der Seuche. Vorgebirge und Stadt 
Joniens, der Insel Samos gegenüber. Geb. 500 v. Chr. zu Klazomenä in 
Lydien, ein beruͤhmter nh der diese Wissenschaft von Kleinasien nach Athen 
verpflanzte. Was wollte der Weise damit sagen?
	        
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